Gesundheitspolitik
Prävention

Großbritanniens Kampf gegen ungesunde Lebensmittel

Dennis M Stamm

1. Okt. 2025 · 4 Min. Lesezeit

Seit dem 1. Oktober 2025 gilt in Großbritannien eine entscheidende Neuerung: Werbung für „weniger gesunde“ Lebensmittel und Getränke wird im Fernsehen und online deutlich eingeschränkt. Grundlage ist der Health and Care Act 2022, der den Communications Act 2003 geändert hat. Damit reagiert die britische Regierung auf die wachsende Sorge über den Einfluss von Werbung für stark zucker-, fett- oder salzhaltige Produkte (HFSS-Produkte = high in fat, salt or sugar) auf das Ernährungsverhalten, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen.

Die Kernpunkte der Reform sind eindeutig: Im Fernsehen gilt künftig eine Werbesperre für HFSS-Produkte vor 21 Uhr, um Kinder am Abendprogramm besser zu schützen. Online wird es sogar noch strenger – dort greift ein Rund-um-die-Uhr-Verbot für bezahlte Werbung dieser Produkte. Ziel ist es, die allgegenwärtige Präsenz von Junk-Food-Werbung in digitalen Medien zu reduzieren und damit das Risiko für ungesunde Ernährungsgewohnheiten einzudämmen.

Kriterien für „weniger gesunde“ Produkte

Ob ein Produkt als „weniger gesund“ gilt, entscheidet ein zweistufiges Verfahren. Erstens muss es in eine der 13 Produktkategorien fallen, die in den Vorschriften aufgeführt sind – dazu zählen etwa zuckerhaltige Softdrinks, Chips, Schokolade, Eiscreme, Kuchen, Fertiggerichte oder Pizza. Zweitens wird das jeweilige Produkt anhand des sogenannten Nutrient Profiling Models (NPM) bewertet. Dieses Modell, das bereits 2004 entwickelt und später angepasst wurde, vergleicht „ungünstige“ Inhaltsstoffe wie Zucker, Salz und gesättigte Fette mit „günstigen“ Bestandteilen wie Obst, Gemüse, Ballaststoffen oder Eiweiß. Erreicht ein Lebensmittel dabei mindestens vier Punkte oder ein Getränk mindestens einen Punkt, fällt es in die Kategorie „weniger gesund“ und unterliegt damit den neuen Werbebeschränkungen.

Ein Blick auf die Produktliste zeigt, dass die Regeln gezielt auf Lebensmittel abzielen, die typischerweise in Werbung für Kinder und Jugendliche vorkommen. Betroffen sind etwa gesüßte Milchgetränke und Limonaden, salzige Snacks wie Chips oder Cracker, Süßwaren, Eiscreme, Kuchen, Kekse, Frühstücksriegel, gesüßte Joghurts, aber auch herzhafte Produkte wie Pizza, Pommes oder Fertiggerichte. Entscheidend ist, dass das beworbene Produkt eindeutig identifizierbar ist – nur dann greift die Regulierung. Allgemeine Darstellungen von Essen ohne klare Zuordnung sind nicht automatisch betroffen.

Nicht alle Produkte fallen jedoch unter die neuen Vorschriften. Ausnahmen gelten beispielsweise für Säuglings- und Babynahrung, medizinische Diätprodukte, Ersatzmahlzeiten mit geprüften Gesundheitsangaben sowie Nahrungsergänzungsmittel. Diese Befreiungen sollen sicherstellen, dass lebenswichtige oder medizinisch notwendige Produkte weiterhin frei beworben werden dürfen.

Umsetzung und Überwachung

Die praktische Umsetzung der Regeln wird von der Advertising Standards Authority (ASA) überwacht. Sie wird künftig prüfen, ob Werbung gegen die neuen Beschränkungen verstößt, und Unternehmen bei der Auslegung unterstützen. Schon jetzt ist absehbar, dass insbesondere im digitalen Raum große Herausforderungen entstehen: Influencer-Marketing, organische Posts und Mischformen zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung machen die Abgrenzung komplex.

Für Lebensmittelhersteller und Werbetreibende bedeutet die Reform einen tiefgreifenden Einschnitt. Sie müssen ihre Marketingstrategien anpassen, kreative Wege finden, um ihre Marken ohne direkte Produktwerbung sichtbar zu halten, und gleichzeitig sicherstellen, dass sie den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Auf Konsumentenseite erhofft sich die Regierung dagegen eine spürbare Entlastung: Kinder und Jugendliche sollen weniger mit Werbung für ungesunde Produkte konfrontiert werden – und damit langfristig gesündere Ernährungsentscheidungen treffen können.

Internationale Relevanz

Die neuen Regeln zeigen deutlich, dass Großbritannien beim Thema Ernährungs- und Kinderschutz einen klaren Kurs fährt. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie wirksam die Maßnahmen sind und ob sie tatsächlich zu einem Rückgang des Konsums von HFSS-Produkten führen. Für Deutschland sind die Entwicklungen in Großbritannien besonders relevant, da auch hier über Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel nachgedacht wird. Die britische Praxis könnte als Vorbild dienen und Impulse für eine stärkere Regulierung in Deutschland geben – insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Kindern vor gezielter Junk-Food-Werbung. Fest steht jedoch: Seit dem 1. Oktober 2025 gelten in der britischen Werbelandschaft strengere Spielregeln – und das ist ein Einschnitt, der weit über die Branche hinaus Wirkung zeigen dürfte.