Agata Stark
21. Dez. 2023 · 5 Min. Lesezeit
Meine Grundschultochter interessiert sich ihrem Alter entsprechend für Tiere und die Natur. Sie möchte irgendwann, wenn sie groß und selbstständig ist, Forscherin werden. Aus diesem Grund hat sie in ihrem Brief an den Weihnachtsmann, den er wohl bei uns liegen gelassen hat (...), folgende Wünsche aufgeschrieben: „ein großes Mikroskop, Forschersachen, Wokitoki und dass die Menschen auf die Natur aufpassen.“ Der Hintergrund ihres letzten Wunsches ist, dass sie es mit dem Umweltschutz sehr genau nimmt. Sie hasst es, wenn Menschen Müll in die Landschaft werfen, vor allem Plastik oder Zigarettenkippen, denn diese gelangen als Mikroplastik in die Meere und werden von den Fischen am Meeresgrund gefressen. Sie bekäme die Krise, wenn jemand eine Kippe vor ihren Augen auf den Boden werfen würde, denn es sei doch klar, dass jede Kippe vier Liter Grundwasser vergifte. Das müsse doch jeder wissen.
Uns Eltern erscheint ihr Verhalten plausibel. In einem Elterngespräch erklärte uns die Klassenlehrerin jedoch, dass sie befürchte, unser Kind lebe zu sehr in einer Traumwelt. Sie versucht ihr immer wieder zu erklären, dass der Weihnachtsmann materielle Dinge wie Spielzeug bringen kann. Aber wenn sie möchte, dass sich die Menschen ändern, ist sie leider an der falschen Adresse, da man andere Menschen nicht ändern kann.
Ouch! Aber damit fällt die höchste Instanz weg, die noch etwas tun könnte, wenn alles andere versagt. Warum aber die Kinder schonen, wenn die Realität brutal ist und brutal bleiben wird, auch für die Kleinsten, da kann man nichts machen.
Ich habe mir vorgestellt, was passiert, wenn ein chronisch krankes Kind, das noch an den Weihnachtsmann glaubt oder dem das Christkind noch Geschenke bringt, sich eben ein neues, gesundes Herz oder eine Spenderlunge wünscht, um mit anderen Kindern Ball spielen zu können. Oder dessen größter Wunsch eine neue Niere ist, damit es zum ersten Mal in seinem Leben eine Cola kosten kann. Wie bitter muss es für dieses enttäuschte Kind sein, wenn es eben nicht das lebensrettende Organ zu Weihnachten bekommt. Wie sehr müssen sich seine Eltern zurückhalten, um an Weihnachten nicht den Weihnachtsmann und das Leben insgesamt zu beschimpfen.
Umso bitterer muss es sein, wenn eine neue Niere acht, neun, zehn oder gar zwölf Jahre auf dem Wunschzettel steht, denn solche Wartezeiten auf ein Spenderorgan sind in Deutschland leider keine Seltenheit.
Ich wünsche mir dieses Jahr zu Weihnachten etwas ganz Besonderes. Dafür würde ich sogar auf alle anderen Geschenke verzichten.
Nach Weihnachten ist für die meisten Menschen wieder die Zeit, um zu rekapitulieren, was man vom Leben erhalten hat. Und welcher Wunsch (wieder einmal) unerfüllt blieb und auf sich warten lässt. Manche, nicht nur Kinder, können vielleicht einfach auf ein Blatt zeichnen, was sie doch noch gern hätten. Manche können es in drei Sätzen zusammenfassen. Andere brauchen dafür eine ganze Textseite. Für andere muss es jemand aus der Familie, ein Freund oder eine Freundin tun. Die Form des Briefes ist nicht wichtig. Wichtig sind der Inhalt und die Adresse des Empfängers.
Ein Wunschzettel der besonderen Art
Im Bundesrat haben die Länderrepräsentanten am 15. Dezember einstimmig für die Widerspruchsregelung gestimmt. Das bedeutet, dass nun die Bundestagsabgeordneten, und sogar wie üblich der Gesundheitsausschuss, einen Gesetzentwurf allen Bundestagsabgeordneten zur Diskussion und anschließenden Abstimmung vorlegen müssen. Das soll jetzt schnellstmöglich passieren. Jede und jeder chronisch Erkrankte und auf ein Organ oder Gewebe Wartende, hat Politiker aus dem eigenen Wahlkreis, die für ihn in diesem Gesundheitsausschuss zuständig sind. Diese Politiker wurden von Ihnen gewählt und arbeiten daher für Sie! Diese Politiker erhalten alle DIATRA und kennen daher auch die vielen persönlichen Porträts, die wir dort veröffentlichen.
Staatssekretärin Sabine Dittmar sagte bei der Verleihung des Organspendepreises der Stiftung Über Leben am 28. November in Berlin zu den ausgezeichneten Aktivistinnen von KiO Youth, die Rolle des Gesundheitsministeriums bei der Gesetzesinitiative sei begrenzt. Dafür können und werden manche Gesetze in so kurzer Zeit wie einer Woche verabschiedet. Wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach mehrfach betonte, müsse die Initiative für eine Widerspruchsregelung aus der Mitte des Bundestages kommen.
Und jetzt zu meinem Weihnachtswunsch: Schicken Sie Ihren Brief an jeden für Ihren Wahlkreis zuständigen Bundestagsabgeordneten im Gesundheitsausschuss. Senden Sie denselben Brief zusätzlich an die Bundestagsabgeordneten Ihres Wahlkreises. Es geht darum, dass möglichst viele ihrer Abgeordneten im Bundestag Ihre Geschichten kennen und daraus Argumente für die Widerspruchsregelung gewinnen können. Diesen Tipp gaben uns Bundestagsabgeordnete, die sich für die Organspende einsetzen.
Als der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen) und der hessische Gesundheitsminister Kai Klose (SPD) den Antrag zur Widerspruchslösung dem Bundestag vorstellten, zitierten sie aus Briefen, die ihnen Betroffene geschrieben hatten, darunter ein zwölfjähriges Mädchen.
Die für Sie zuständigen Mitglieder der Gesundheitsausschusses finden Sie auf https://www.abgeordnetenwatch.de/bundestag/20/ausschuesse/gesundheitsausschuss
Die Bundestagsabgeordneten nach Wahlkreis finden Sie auf https://www.bundestag.de/abgeordnete/wahlkreise
Nahezu jede einzelne Lebensgeschichte ist ein Argument für die Widerspruchsregelung. Und egal, wie Sie sie beschreiben oder malen, sie berührt das Herz. Und seien Sie versichert: Sie sind nicht allein mit Ihrem unerfüllten Wunsch.