Dr. Bettina Albers
22. Dez. 2023 · 4 Min. Lesezeit
Bereits im Jahr 2021 hat die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) einen 10-Punkte-Plan zur Stärkung der Heimdialyse veröffentlicht. Das Modellprojekt SKIP-SH gestaltet diesen nun konkret aus. Durch verschiedene Maßnahmen soll die Peritonealdialyse in Schleswig-Holstein gestärkt werden. Das Projekt wird durch die DGfN unterstützt und soll perspektivisch deutschlandweit Schule machen.
Die Heimdialyse – darunter fallen die Peritonealdialyse und die Heimhämodialyse – ist in Deutschland nach wie vor unterrepräsentiert, gewinnt aber nicht zuletzt auch wegen der zunehmend kritischen Versorgungssituation in Deutschland an Bedeutung. Der Fachkräftemangel in der Nephrologie ist hoch. Er betrifft sowohl den pflegerischen als auch den ärztlichen Bereich, einige Dialysezentren mussten sogar schon schließen.
„Die Heimdialyse ist aber keinesfalls ein aus der Not geborenes ‚Lückenbüßerverfahren‘“, erklärt Professorin Dr. Julia Weinmann-Menke, Pressesprecherin der DGfN. Im Gegenteil, die Dialyse zu Hause habe viele Vorteile. So könne der Körper häufiger als dreimal pro Woche, wie im Dialysezentrum üblich, entgiftet werden. Heimdialysepatient:innen führen die Dialyse täglich durch, häufig in der Nacht, also quasi im Schlaf. Das bedeutet, dass die Konzentration von Giftstoffen im Blut nicht so hoch ansteigt wie bei größeren Intervallen und sich die Betroffen daher oft besser fühlen.
„Vielsagend ist, dass sich die Mehrheit der Nephrologinnen und Nephrologen, sollten sie selbst dialysepflichtig werden, für ein Heimverfahren entscheiden würden1. Das wäre nicht der Fall, wenn die Verfahren der Heimdialyse aus medizinischer Sicht zweitrangig wären.“ Hinzu kommen Vorteile im Hinblick auf die Lebensqualität: Insbesondere Peritonealdialysepatient:innen haben mehr Freiheit, sie können auch reisen, sind nicht an feste Dialysezeiten gebunden und können daher auch oft noch ihren Beruf ausüben. „Vieles spricht also für die Stärkung der Heimdialyseverfahren“, so das Fazit der Expertin.
Der Anteil an Peritonealdialysepatient:innen in Deutschland liegt zurzeit bei ca. 6%2, der von Heimhämodialysepatientinnen und -patienten liegt noch weit darunter. Bereits in unserem Nachbarland Dänemark sieht die Versorgungsrealität ganz anders aus, hier liegt der Anteil der Peritonealdialyse-Patientinnen und -Patienten über 20%. Weltmeister in puncto Peritonealdialyse ist Hongkong mit einem Anteil von 68 %3.
Die Gründe für die Verhaltenheit gegenüber der Heimdialyse in Deutschland sind vielfältig. Sie liegen u.a. in der aktuellen Versorgungsstruktur sowie in der Weiterbildung und Lehre. Konsequenterweise hatte die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie vor diesem Hintergrund einen 10-Punkte-Plan zur Stärkung der Heimdialyse vorgelegt4, der in einem multimodalen Ansatz im Schulterschluss mit dem G-BA eine Kehrtwende erreichen will. Ein Projekt in Schleswig-Holstein füllt dieses Vorhaben nun mit Leben.
„Inspiriert durch den 10-Punkte-Plan der DGfN sowie die Versorgungsrealität im Flächenland Schleswig-Holstein haben wir ein Konzept zur flächendeckenden Stärkung der Peritonealdialyse (PD) in Schleswig-Holstein entwickelt“, erklärt Projektleiter PD Dr. Kevin Schulte.
„Als medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft unterstützen wir das Projekt nicht nur, weil es Real Life-Daten zur Peritonealdialyse generieren wird, sondern auch, weil wir uns seit Jahren für die Stärkung dieses Verfahren einsetzen, das medizinisch mindestens gleichwertig ist, darüber hinaus perspektivisch auch die angespannte Personalsituation in den Dialysezentren entlasten könnte“, erklärt DGfN-Pressesprecherin Prof. Weinmann-Menke. Auch Prof. Dr. Roland Schmitt, seit Dezember neuer Direktor der Nephrologischen Klinik am UKSH, freut sich über die Förderung des Landes: „SKIP-SH passt hervorragend in unsere Strategie, die Nephrologie Kiel zu einem Schwerpunktzentrum für Peritonealdialyse in Deutschland zu entwickeln“. Das Projekt SKIP-SH ist am 01.09.2023 gestartet, zunächst ist eine Laufzeit von drei Jahren vorgesehen. Unterstützt wird das Projekt durch den Versorgungssicherungsfond des Landes Schleswig-Holstein, das Kuratorium der DGfN sowie Fresenius Medical Care,BaxterNovartis, Astra Zeneca, Astellas, RiePharm, MEDICE und Sandoz.