Martin Börgel
12. Apr. 2024 · 7 Min. Lesezeit
3475 Menschen spendeten in 2023 Gewebe – 12 % mehr als im Jahr zuvor. Die Gewebespende ist in Deutschland damit weiter auf Erfolgskurs. Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) konnte insgesamt 7503 Patient:innen mit einem Gewebetransplantat versorgen, davon 5003 mit einer Augenhornhaut.
„Wir blicken auf ein erfolgreiches Jahr 2023 für die Gewebespende zurück. Unsere Koordinator:innen bearbeiteten 50.576 Spendermeldungen und führten 9379 Aufklärungsgespräche. Mehr als 3800 Spender:innen und Angehörige stimmten einer Gewebespende zu, was einer Zustimmungsquote von knapp 41 % entspricht. Diesen Menschen gilt an dieser Stelle unser ganz besonderer Dank. Doch auch das Engagement der Kliniken nimmt weiter zu: Immer mehr Kliniken melden aktiv Gewebespender:innen und schließen sich dem Netzwerk der DGFG an, um den Willen der Patient:innen umzusetzen. Durch den Ausbau der Gewebespendeprogramme ist es uns gelungen, die Versorgung der Patient:innen mit Gewebetransplantaten weiter zu verbessern“, sagt Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG.
Notiz zu der letzten Grafik: Die Anzahl an Knochen- und Weichteilgewebe-Transplantaten wird in die Statistik der DGFG nicht mit eingerechnet, da die Vermittlung dieser Transplantate über das DIZG erfolgt.
Weitere Entwicklungen und Meilensteine aus dem Jahr 2023 im Überblick:
Neue Gewebebank Stuttgart wird Versorgungssituation weiter verbessern
Die positive Entwicklung der Spendezahlen erfordert einen Ausbau der Kapazitäten in der Aufbereitung von Geweben. Denn der Bedarf an Spendergewebe ist weiterhin hoch: Die Vermittlungsstelle der DGFG bearbeitete über 6800 Anträge für eine Spenderhornhaut. 5003 Hornhauttransplantate konnte sie schließlich erfolgreich vermitteln. Vor diesem Hintergrund bildete der Start der neuen Gewebebank Stuttgart am Katharinenhospital einen wichtigen Meilenstein in 2023. Die Gewebebank in Stuttgart ist das Ergebnis einer erfolgreichen Gemeinschaftsarbeit mit dem Klinikum Stuttgart, die nach vielen Jahren intensiver Planung im Mai letzten Jahres auf die Zielgerade gebracht werden konnte. Derzeit noch auf Augenhornhäute ausgerichtet, wird dort langfristig auch die Aufbereitung anderer Gewebespenden, wie Herzklappen, Blutgefäße und Amnionmembranen, möglich sein. Die moderne Gewebebank ist die einzige im Großraum Stuttgart und wird die Versorgung von Patient:innen mit Gewebe sowohl in Baden-Württemberg als auch bundesweit verbessern.
Weiter Mangel an Herzklappen trotz gestiegener Anzahl an Organspenden
Im vergangenen Jahr erhielt die DGFG über 430 Anträge für eine humane Herzklappe. 197 Herzklappen konnten bis Jahresende vermittelt werden, 52 mehr als im Jahr zuvor. Nach wie vor stammt ein Großteil der Herzklappen aus der Organspende: Bei den insgesamt 422 Gewebespenden von Organspender:innen – 96 mehr als im Jahr zuvor – konnte 247-mal kardiovaskuläres Gewebe, dazu zählen das Herz für die Gewinnung der noch funktionsfähigen Herzklappen und Blutgefäße, entnommen werden. Da die Gewebespende im Gegensatz zur Organspende nicht an die Hirntoddiagnostik gebunden ist, treibt die DGFG das von der Organspende unabhängige Spendeprogramm bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen weiter voran. Die Entnahme von Herzklappen und Gefäßen ist bis zu 36 Stunden nach Eintritt des Todes möglich. Gerade junge Patient:innen sind auf humane Herzklappen angewiesen, die mitwachsen können und keine blutverdünnenden Medikamente erfordern.
Ausbau der Spende von Knochen, Sehnen und Bändern
Neben der Spende von Augenhornhäuten, Herzklappen und Blutgefäßen widmete sich die DGFG im Jahr 2023 auch der Spende von Knochen, Sehnen und Bändern. 43-mal konnten diese muskuloskelettalen Gewebe (MSG) entnommen werden. Sie kommen am Ende Patient:innen im unfallchirurgischen oder orthopädischen Bereich, nach großen Verletzungen oder Traumata zugute. Knochen- und Sehnenpräparate können Schmerzen lindern, vor Amputationen bewahren und eine Beweglichkeit bis hin zur Gehfähigkeit wiederherstellen. Im März 2022 startete die DGFG ihr MSG-Spendeprogramm. Seitdem konnten die eigenen Entnahmeteams mehr als 70 MSG-Spenden erfolgreich realisieren, aus denen über 1250 Präparate gewonnen werden konnten.
Vermehrtes Interesse an der Anwendung von Amnion in der Wundversorgung
Dass die Amnionmembran auch außerhalb der Augenheilkunde eine wertvolle Behandlungsoption in der Wundversorgung darstellt, belegen die gestiegenen Anfragen bei der DGFG im vergangenen Jahr. Zwölfmal setzten Mediziner:innen die Amnionmembran ein, um bei Patient:innen einen Wundverschluss zu erzielen. Das Plazentagewebe kann bei schweren Wundheilungsstörungen aller Art und als Hautersatz bei Verbrennungen eingesetzt werden. Dabei zeichnet sich Amnion durch besonders wundheilungsfördernde und schmerzreduzierende Eigenschaften aus. Die DGFG erwartet in 2024 weiter steigende Anfragen für das Gewebe, das werdende Mütter im Rahmen einer Lebend-Gewebespende bei geplan
Die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG)
Die DGFG fördert seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland. Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG realisiert als größtes, bundesweit tätiges Netzwerk etwa die Hälfte der postmortalen Gewebespende in Deutschland und deckt rund 50 Prozent der Patientenversorgung mit Augenhornhäuten, Herzklappen, Blutgefäßen und Amnionmembranen. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen. Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen: Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg. Die DGFG ist in ihrer Aufbaustruktur, der Freiwilligkeit der Unterstützung durch die Netzwerkpartner:innen und ihrer Unabhängigkeit von privaten oder kommerziellen Interessen einzigartig in Deutschland.