Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
4. Juni 2024 · 5 Min. Lesezeit
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat am Dienstag, 4. Juni 2024, in Berlin eine von Nordrhein-Westfalen initiierte Bundesratsinitiative zur Einführung der Widerspruchslösung bei der Organspende vorgestellt. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftig alle Menschen in Deutschland grundsätzlich als Organspender gelten, wenn sie dem nicht widersprechen.
Hintergrund ist die massive Lücke zwischen gespendeten Organen und Personen, die ein Spenderorgan benötigen – obwohl eine Mehrheit der Bevölkerung der Organspende gegenüber positiv eingestellt ist.
„Deutschlandweit warteten zum Stichtag 31. Dezember 2023 fast 8.400 Patientinnen und Patienten auf ein Spenderorgan. Zugleich wurden im Jahr 2023 in Deutschland nur knapp 2.900 Organe von 965 Personen gespendet. Das bildet sich auch in den Zahlen für Nordrhein-Westfalen ab: Hier warteten zum gleichen Stichtag mehr als 1.800 Menschen auf ein Spenderorgan, während im gesamten Jahr 2023 lediglich 965 Organe von 166 Personen gespendet wurden. Die Zahlen bewegen sich seit Jahren auf einem vergleichbaren Niveau und das ist deutlich zu wenig. Oder anders und drastisch ausgedrückt: Das ist eine massive Lücke, die für viele Menschen am Ende womöglich den Tod bedeuten kann“, sagt Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann.
„Vor diesem Hintergrund bin ich schon lange zu der Überzeugung gelangt, dass wir hier mit der Entscheidungslösung nicht weiterkommen. Daher setze ich mich so massiv für die Widerspruchslösung ein. Klar ist: Niemand darf zu einer Organspende gezwungen werden. Ich bin aber schon der Meinung, dass wir die Menschen dazu verpflichten können, eine Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen. Zuletzt hat der Bundestag im Jahr 2020 zum Vorgehen bei der Organspende abgestimmt – mit einer Mehrheit für die Entscheidungs- und gegen die Widerspruchslösung. Mit der anderen Zusammensetzung des Bundestags durch die Wahl 2021 birgt eine erneute Abstimmung die Chance, die Widerspruchslösung endlich einzuführen – und mehr Leben zu retten“, so Laumann weiter.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit würde die Widerspruchslösung dazu beitragen, die Zahl der Organspenden in Deutschland zu steigern und Wartezeiten auf ein Organ deutlich zu verkürzen, denn laut einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung steht eine überwältigende Mehrheit von mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland der Organspende positiv gegenüber.
„Wir sehen das in anderen europäischen Ländern, die die Widerspruchslösung bereits haben“, so Minister Laumann. „Die Einführung wird diejenigen, die keine Organe spenden wollen, dazu bewegen, dies auch zu dokumentieren. Denjenigen, die Organe spenden wollen, wird die Dokumentation abgenommen, weil sie automatisch als Organspenderinnen und -spender gelten. Ich bin überzeugt, dass wir in Deutschland keinen Mangel an Menschen haben, die aus Solidarität oder Nächstenliebe nach ihrem Tod Organe spenden wollen. Wir haben aber ein Dokumentationsproblem. Wenn Menschen ihre Einstellung nicht hinterlegt haben, müssen die Angehörigen entscheiden. In der Regel wird dann die Organspende aus Angst davor abgelehnt, möglicherweise gegen den Willen des Verstorbenen zu handeln“, so Minister Laumann.
Der Gesetzentwurf umfasst folgende Punkte:
Aktuell gilt in Deutschland die Entscheidungslösung bei der Organspende. Organe und Gewebe dürfen nur dann nach dem Tod entnommen werden, wenn die verstorbene Person dem zu Lebzeiten zugestimmt hat. Liegt keine Entscheidung vor, werden die Angehörigen nach einer Entscheidung gefragt.
Zahlreiche europäische Länder haben die Widerspruchslösung bereits eingeführt. Deutschland importiert Organe aus diesen Ländern mit entsprechend höheren Spenderzahlen über den Verbund der internationalen Vermittlungsstelle „Eurotransplant".
Nordrhein-Westfalen wird den Gesetzentwurf am 14. Juni 2024 in den Bundesrat einbringen, nach aktuellem Stand gemeinsam mit Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Die Unterstützung weiterer Länder wird nach den dort noch ausstehenden Kabinetts- beziehungsweise Senatsabstimmungen erwartet. Findet die Gesetzesinitiative eine Bundesratsmehrheit, muss sich der Bundestag mit ihr befassen.