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Nephrologie
Forschung

Für manche Ältere ist die Dialyse nicht unbedingt die beste Option

Stanford Medicine

26. Aug. 2024 · 5 Min. Lesezeit

DIATRA 3-2024

Eine von der Stanford University School of Medicine in Kalifornien/USA geleitete Studie ergab, dass altersgebrechliche Patienten, die mit dem Beginn der Dialyse warteten, im Durchschnitt nur neun Tage früher starben - und mehr Zeit zu Hause verbrachten - als diejenigen, die sofort mit der Behandlung begannen. Ob die Dialyse die beste Option bei Nierenversagen ist und wenn ja, wann man damit beginnen sollte, sollte einer neuen Studie zufolge sorgfältiger geprüft werden.

Wenn ältere Erwachsene, die nicht gesund genug für eine Nierentransplantation waren, mit der Dialyse begannen, sobald ihre Nierenfunktion unter einen bestimmten Schwellenwert fiel - anstatt zu warten -, hatten sie etwa eine Woche mehr Lebenszeit, fanden Forschende der Stanford Medicine und ihre Kollegen heraus.

Noch kritischer ist vielleicht, dass sie zusätzlich zu der Zeit, die sie mit der Dialyse verbrachten, durchschnittlich zwei weitere Wochen in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen verbrachten.

„Ist das wirklich das, was ein 75- oder 80-jähriger Patient tun möchte?“, fragte die leitende Wissenschaftlerin Maria Montez Rath, PhD. Rath ist die Hauptautorin einer Studie über Dialyse, Lebenserwartung und Zeit zu Hause, die am im August veröffentlicht wurde. Weitere Hauptautorin ist Manjula Tamura, MD, eine Professorin für Nephrologie.  „Für alle Patienten, aber besonders für ältere Erwachsene, ist es wichtig, die Kompromisse zu verstehen“, so Tamura. „Sie und ihre Ärzte sollten sorgfältig abwägen, ob und wann sie mit der Dialyse fortfahren."

Menschen mit Nierenversagen, die gesund genug für eine Transplantation sind, können eine gespendete Niere erhalten, die ihr Blut von Giftstoffen und überschüssiger Flüssigkeit befreit. Diese Möglichkeit steht jedoch vielen älteren Erwachsenen mit zusätzlichen Erkrankungen wie Herz- oder Lungenkrankheiten oder Krebs nicht zur Verfügung.

Für diese Betroffenen empfehlen Mediziner:innen oft eine Dialyse, wenn die Erkrankung zu einem Nierenversagen führt. Von Nierenversagen spricht man, wenn die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR), ein Maß für die Nierenfunktion, unter 15 fällt.

Betroffene und ihre Angehörigen gehen manchmal davon aus, dass die Dialyse ihre einzige Option ist oder dass sie das Leben deutlich verlängert, so Montez Rath. „Sie sagen oft Ja zur Dialyse, ohne wirklich zu verstehen, was das bedeutet.“

Anstelle der Dialyse können die Betroffenen aber auch Medikamente einnehmen, um die Symptome des Nierenversagens wie Wassereinlagerungen, Juckreiz und Übelkeit zu behandeln, so Tamura. Sie fügte hinzu, dass die Dialyse Nebenwirkungen wie Krämpfe und Müdigkeit mit sich bringt und in der Regel dreimal pro Woche einen drei- bis vierstündigen Besuch in einer Klinik erfordert. „Es ist eine ziemlich intensive Therapie, die eine große Umstellung des Lebensstils mit sich bringt“, sagte sie.

Lebenserwartung und Zeit zu Hause

Die Forschenden führten die Studie durch, um zu quantifizieren, was die Dialyse für ältere Erwachsene bedeutet, die nicht für eine Transplantation in Frage kommen: ob und wie sehr die Dialyse das Leben verlängert, zusammen mit der relativen Anzahl von Tagen, die in einer stationären Einrichtung wie einem Krankenhaus, Pflegeheim oder Rehabilitationszentrum verbracht werden.

Das Team wertete die Krankenakten von 20.440 Patient:innen (98 % waren männlich) des U.S. Department of Veterans Affairs aus den Jahren 2010 bis 2018 aus. Die Patient:innen waren 65 Jahre und älter, hatten chronisches Nierenversagen, wurden nicht auf eine Transplantation untersucht und hatten eine eGFR (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate) unter 12.

In der Simulation einer randomisierten klinischen Studie mit elektronischen Krankenakten teilten sie die Patient:innen in zwei Gruppen ein: diejenigen, die sofort mit der Dialyse begannen, und diejenigen, die mindestens einen Monat warteten. Über einen Zeitraum von drei Jahren begann etwa die Hälfte der wartenden Patient:innen nie mit der Dialyse.

Diejenigen, die sofort mit der Dialyse begannen, lebten im Durchschnitt neun Tage länger als diejenigen, die warteten, verbrachten aber auch 13 Tage mehr in einer stationären Einrichtung. Auch das Alter spielte eine Rolle: 65- bis 79-jährige Menschen, die sofort mit der Dialyse begannen, lebten im Durchschnitt 17 Tage weniger und verbrachten 14 Tage mehr in einer stationären Einrichtung; 80-jährige und ältere Menschen, die sofort mit der Dialyse begannen, lebten im Durchschnitt 60 Tage länger, verbrachten aber 13 Tage mehr in einer stationären Einrichtung. Patienten, die sich nie einer Dialyse unterzogen, starben im Durchschnitt 77 Tage früher als diejenigen, die sofort mit der Dialyse begannen, aber sie verbrachten 14 Tage mehr zu Hause.

„Die Studie zeigt uns, dass man vielleicht länger überlebt, wenn man sofort mit der Dialyse beginnt, aber man verbringt viel Zeit an der Dialyse und muss eher ins Krankenhaus“, sagte Rath.

Tamura merkte an, dass die Ärzt:innen die Dialyse manchmal empfehlen, weil sie den Betroffenen Hoffnung machen wollen oder weil die Nachteile der Behandlung nicht immer klar waren. Die Studie deutet jedoch darauf hin, dass Behandelnde und Betroffene möglicherweise warten sollten, bis die eGFR weiter sinkt, so Tamura, und dass sie vor dem Beginn der Dialyse die Symptome und die persönlichen Präferenzen berücksichtigen sollten.

„Verschiedene Patienten haben unterschiedliche Ziele“, sagte sie. „Für manche ist es ein Segen, diese Möglichkeit der Dialyse zu haben, für andere kann es eine Belastung sein.“

Es könne hilfreich sein, wenn die Ärzt:innen die Dialyse für gebrechliche, ältere Erwachsene als eine palliative Behandlung darstellten, die in erster Linie die Symptome lindern soll.

„Gegenwärtig wird die Dialyse den Patienten oft als eine Entscheidung zwischen Leben und Tod dargestellt“, sagte sie. „Wenn dies so dargestellt wird, haben die Patienten keinen Raum, um zu überlegen, ob die Behandlung ihren Zielen entspricht, und sie neigen dazu, den Nutzen und das Wohlbefinden, das sie erfahren könnten, zu überschätzen. Wenn die Behandlung jedoch als symptomlindernd dargestellt wird, können die Patienten eher verstehen, dass es Kompromisse gibt“.

Forschende von der University of Washington, Veterans Affairs Palo Alto und Veterans Affairs Puget Sound haben an der Studie mitgewirkt.

Die Forschung wurde vom US-Ministerium für Veteranenangelegenheiten und den National Institutes of Health (Zuschuss K24AG073615) unterstützt.

Übersetzung: DIATRA

Publikationen

  • Effect of Starting Dialysis Versus Continuing Medical Management on Survival and Home Time in Older Adults With Kidney Failure

    • Autoren: Maria E. Montez-Rath, MS, PhD https://orcid.org/0000-0001-5154-2182, I-Chun Thomas, MS https://orcid.org/0000-0001-5686-3022, Vivek Charu, MD, PhD, Michelle C. Odden, MS, PhD https://orcid.org/0000-0002-5974-3648, Carolyn D. Seib, MD, MAS https://orcid.org/0000-0003-2438-9658, Shipra Arya, MD https://orcid.org/0000-0002-0404-9325, Enrica Fung, MD, MPH, Ann M. O’Hare, MD, MA, Susan P.Y. Wong, MD, MS, and Manjula Kurella Tamura, MD, MPH
    • DOI: [10.7326/M23-3028]
    • https://doi.org/10.7326/M23-3028