Nephrologie
Prävention

Weltweit erstmals eine Therapie identifiziert, die akutes Nierenversagen verhindern kann

Università Vita - Salute San Raffaele

26. Aug. 2024 · 4 Min. Lesezeit

Die Universität Vita-Salute San Raffaele und das IRCCS San Raffaele Hospital in Mailand/Italien sind federführend an einer internationalen Studie beteiligt, die zum weltweit ersten Mal eine auf der intravenösen Verabreichung von Aminosäuren basierende Behandlung zur Vorbeugung von akutem Nierenversagen nach Operationen mit kardiopulmonalem Bypass ermittelt hat.

Jedes Jahr werden weltweit über 300 Millionen chirurgische Eingriffe durchgeführt, davon 1 Million mit Hilfe eines kardiopulmonalen Bypasses. Der Körper und die Organe von Patient:innen, die sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen, sind akutem Stress ausgesetzt, und mehrere Studien belegen, dass die Nieren besonders von chirurgischem Stress betroffen sind, da die Nierendurchblutung verringert wird und das Risiko für die Entwicklung eines akuten Nierenversagens (Acute Kidney Injury = AKI) steigt, das in der Folge zu einer chronischen Nierenerkrankung fortschreiten kann. Bislang gibt es außer der Durchführung von Unterstützungsmaßnahmen keine spezifische Präventionsmaßnahme für akutes Nierenversagen. Akutes Nierenversagen tritt bei 10-15 % aller hospitalisierten Patient:innen weltweit (etwa eine halbe Million pro Jahr) und bei 50 % der Patienten:innen auf der Intensivstation auf und ist ein kritischer Zustand mit hoher Mortalität und Morbidität. Eine Studie ergab, dass die 90-Tage-Sterblichkeitsrate bei kritisch kranken Patient:innen mit ARF bei 30-40 % liegt, womit dieses Ereignis wesentlich tödlicher ist als ein Myokardinfarkt.

Die im Juni 2024 veröffentlichte Arbeit wurde von Professor Dr. Giovanni Landoni, Direktor des Forschungszentrums für Anästhesie und Wiederbelebung des IRCCS San Raffaele Krankenhauses und ordentlicher Professor an der Universität Vita-Salute San Raffaele, und von Professor Dr. Alberto Zangrillo, Leiter der operativen Einheit für allgemeine, kardio-horako-vaskuläre Anästhesie und Wiederbelebung sowie des Bereichs für kardiologische und herzchirurgische Intensivpflege, Leiter der klinischen Bereiche des IRCCS San Raffaele Hospital, Professor für Anästhesie und Wiederbelebung an der Fakultät für Medizin und Chirurgie und Vizerektor für institutionelle klinische Aktivitäten der Vita-Salute San Raffaele Universität, und in Zusammenarbeit mit verschiedenen italienischen Zentren und in der ganzen Welt koordiniert - insbesondere mit Professor Dr. Rinaldo Bellomo, Professor für Intensivpflege an der Universität Melbourne und Doktor der Intensivpflege. Die Forschenden konnten zum ersten Mal die Wirksamkeit der intravenösen Verabreichung von Aminosäuren zur Vorbeugung von ARF nach einer kardiopulmonalen Bypass-Operation nachweisen.

An der internationalen Studie, die vom IRCCS San Raffaele Hospital geleitet und dank eines Zuschusses durch das italienische Gesundheitsministerium finanziert wurde, nahmen 3511 Patient:innen aus 22 Zentren, darunter Italien, Kroatien und Singapur, teil. Sie wurde vonLandoni und Redaelli vom 12. bis 14. Juni in Belfast anlässlich des Critical Care Reviews Meeting 2024 vorgestellt, der wissenschaftlichen Konferenz, auf der die weltweit besten klinischen Studien im Bereich der Intensivpflege vorgestellt werden.

Die Forschenden verabreichten die Aminosäuretherapie intravenös an eine erste Gruppe von 1759 erwachsenen Patient:innen, die sich einer Herzoperation mit kardiopulmonalem Bypass unterzogen, und in den drei Tagen nach der Operation, während den übrigen 1752 ein Placebo verabreicht wurde. Sie stellten dann fest, dass ARF bei 474 Patient:innen in der Gruppe, die das Medikament erhielt (26,9 %), im Vergleich zu 555 Patient:innen in der Gruppe, die das Placebo erhielt (31,7 %), auftrat, was eine um 5 % geringere Wahrscheinlichkeit des Auftretens von ARF bedeutet.

„Wir haben gesehen, dass durch die intravenöse Verabreichung einer Aminosäurenlösung unmittelbar vor der Operation bis zu drei Tage nach der Operation die Niere eine gute Durchblutung aufrechterhalten kann, wodurch die Sauerstoffversorgung der Niere und die glomeruläre Filtration optimiert werden, wodurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer ARF stark verringert wird“, erklärt Professor Dr. Giovanni Landoni.

Künftige Anwendungsmöglichkeiten

Nach Jahrzehnten, in denen sich die Studien über Aminosäuren hauptsächlich auf ihre ernährungsphysiologische Wirkung oder auf die Erhöhung der Körpertemperatur bezogen, ebnet die Forschung in San Raffaele den Weg für neue Anwendungen, die eine Aktualisierung der Leitlinien und eine Revolution im klinischen Bereich versprechen:

„Die Daten, die wir mit dieser Studie gesammelt haben, bestätigen, dass die Aminosäuretherapie in der Lage ist, akutes Nierenversagen zu verhindern. Ab heute können wir diese Ergebnisse nicht nur bei Bypass-Operationen, sondern auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz, bei Nierentransplantierten, bei Patienten mit fortbestehendem Nierenversagen und bei septischen Patienten untersuchen und vielleicht auch zur Verringerung von Kontrastmittelschäden einsetzen“, sagt Professor Dr. Alberto Zangrillo.

„Wir sind zuversichtlich, dass unser Beitrag in der Welt der Medizin etwas bewirken kann. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass wir die Niere vor und nach einem chirurgischen Eingriff mit einem Medikament schützen: Dieser Paradigmenwechsel könnte das Ergebnis von Millionen von Patienten jedes Jahr verbessern“, schließt Professor Dr. Rinaldo Bellomo ab.

Übersetzung: DIATRA

Publikationen