Organspende
Gesundheitspolitik

Kontroverse Debatte im Bundestag über die Widerspruchsregelung

Dennis M Stamm

6. Dez. 2024 · 4 Min. Lesezeit

Im Bundestag wurde am 5. Dezember 2024 kontrovers über die Einführung der Widerspruchsregelung bei der Organspende diskutiert. Während Befürworter des fraktionsübergreifenden Gesetzentwurfs (20/13804) auf den Mangel an Spenderorganen hinwiesen, kritisierten Gegner die potenzielle Missachtung des individuellen Selbstbestimmungsrechts. Bereits 2020 hatte der Bundestag eine ähnliche Regelung abgelehnt und stattdessen die Entscheidungslösung eingeführt.  

Gesetzesvorschlag: Einführung der Widerspruchsregelung

Der Entwurf sieht vor, dass Personen als Organspender infrage kommen, wenn sie einer Entnahme nicht ausdrücklich widersprochen haben. Ziel sei es, die Auseinandersetzung mit dem Thema Organspende zu fördern. Ein zentraler Bestandteil der Regelung ist ein Organspenderegister, das Widersprüche dokumentiert. Fehlen dort Einträge oder Hinweise aus Gesprächen mit Angehörigen, wäre eine Entnahme zulässig.  

Positionen der Befürworter

SPD-Abgeordnete Sabine Dittmar fordert einen Paradigmenwechsel, da die bisherigen Maßnahmen zur Erhöhung der Spenderzahlen gescheitert seien. Angesichts der langen Wartezeiten in Deutschland betonte sie, dass das Recht auf Leben gegenüber dem Recht, sich nicht mit Organspende befassen zu müssen, höher zu bewerten sei. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hob hervor, dass Deutschland auf Spenden aus Ländern mit Widerspruchsregelung angewiesen sei, was eine Frage der Solidarität aufwerfe.  

Auch Armin Grau (Grüne) argumentierte, die Regelung wahre die Selbstbestimmung und entlaste Angehörige, die oft überfordert seien. Martina Stamm-Fibich (SPD) sprach sich ebenfalls für die Widerspruchslösung aus und bezeichnete ihre frühere Ablehnung als Fehleinschätzung.  

Skeptische Stimmen

Kristine Lütke (FDP) stellte das Verfahren infrage und warnte davor, den Staat entscheiden zu lassen, wenn Schweigen als Zustimmung gewertet werde. Sie betonte, dass das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper ein Grundpfeiler der Verfassung sei und andere Maßnahmen zur Erhöhung der Spenderzahlen geprüft werden sollten.  

Die AfD-Fraktion lehnte den Vorschlag ab. Martin Sichert kritisierte die Regelung als Verletzung des individuellen Eigentums am eigenen Körper und warnte vor einer Instrumentalisierung der Menschen als „Ersatzteillager“. (anm.: Auch sparte er nicht an persönlichen Beleidigungen und Verleumdungen sowie an AFD-typischem Geschichtsrevisionismus – was alles samt und sonders eher an eine Parteitagsrede Wahlkampfrede der AFD erinnerte und für die aktuelle Debatte keinerlei Mehrwert brachte.)

Download des Stenografischen Berichts der 203. Sitzung des Bundestags vom 5. Dezember 2024 (PDF, 2.7 MB) - der Abschnitt über die Widerspruchsregelung beginnt auf Seite 146

À propos Selbstbestimmungsrecht - Bundesverfassungsgericht beschloss bereits 1999 folgendes

Wusstet Ihr eigentlich, dass es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit den Grundrechten vereinbar ist, einen Widerspruch zu verlangen, um eine postmortale Organentnahme zu verhindern und somit eine Zustimmung der Angehörigen auszuschließen? Das BVerfG hat in einem Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 18. Februar 1999 (- 1 BVR 2156/98 -) bereits zum Thema Organspende festgestellt: „In der Sache verstoße die durch § 4 TPG eröffnete Möglichkeit einer postmortalen Organentnahme mit Zustimmung anderer Personen gegen Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Die Würde und die körperliche Selbstbestimmung des Menschen seien auch nach dem Tod schutzbedürftig. Deshalb dürfe der Staat eine postmortale Organentnahme nur im Rahmen der sogenannten ,engen Zustimmungslösung' erlauben. Es gebe keinen rechtfertigenden Grund dafür, auf das Erfordernis einer ausrücklichen (sic!) Einwilligung in die Organentnahme durch den Betroffenen zu verzichten und die Würde und körperliche Unversehrtheit zur Disposition Dritter zu stellen. [...] Der Widerspruch kann durch die Zustimmung einer anderen Person nicht überspielt werden. Die Beschwerdeführer haben es somit selbst in der Hand, den befürchteten Grundrechtsverletzungen vorzubeugen. Daß sie in ihren Grundrechten bereits dadurch verletzt werden, daß sie zur Abwehr der behaupteten Grundrechtsverletzung einen Widerspruch erklären müssen, ist nicht ersichtlich.“ (Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1999/02/rk19990218_1bvr215698.html)

Daher erscheint es plausibel, dass das BVerfG auch eine echte Widerspruchsregelung als verfassungskonform betrachten würde. Denn das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen in Bezug auf seine postmortale körperliche Unversehrtheit, abgeleitet aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG), bleibt durch das Widerspruchsrecht geschützt. Niemand wird gegen seinen Willen rechtmäßig zum Organspender gemacht.

Also: Die Widerspruchsregelung gewährleistet den Schutz des Selbstbestimmungsrechts (und zur Steigerung der Organspenden)!!