Seit 66 Jahren gehöre ich zum Kreis der chronisch nierenkranken Menschen. Und jetzt blicke ich auf ein 30-jähriges Leben mit meiner transplantierten Niere zurück.
Dankbar und demütig schaue ich auf diese Zeit glücklicher und harmonischer Tage zurück. Auch, wenn es zwischendrin genauso Rückschläge oder gesundheitliche Einschnitte gab, so überwiegen doch die positiven Momente.
Besonders dankbar bin ich den Menschen gegenüber, die es erst möglich machten, dass ich diese qualitätsreichen, intensiven und glücklichen Jahre erleben durfte. Zu nennen sind da in erster Linie die Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte, die für uns chronisch Kranken stets in besonderer Weise da sind.
Ich hatte meist das große Glück die richtigen Ansprechpartner zu finden, dabei verständigten wir uns stets auf Augenhöhe. Einige von ihnen begleiten mich bis heute. Auch die vielen Mitpatienten, denen ich auf meinem Weg begegnet bin, halfen allein dadurch, dass wir uns gegenseitig bestärkten.
Wichtig sind natürlich auch unsere Partner, sie mussten von Anfang an großes Verständnis für unsere chronische Erkrankung aufbringen, obwohl sie oft selbst gesund sind. Auch meinen Partner möchte ich an dieser Stelle hervorheben und herzlich Danke sagen, für 30 Jahre Verständnis, Rücksicht und bedingungsloser Liebe.
Doch ich könnte diese Zeilen überhaupt nicht schreiben, wenn ich meine Niere nicht besäße. Und da kommen wir zum Kern meines Anliegens:
Vor 30 Jahren kam nach fünf Jahren Dialysezeit der erlösende Anruf: „Wir haben eine Niere für Sie!“ Und das ging nur, weil es in den Niederlanden schon damals die Widerspruchslösung gab. Meine Niere kam direkt von dort. Deutschland bekam damals mehr Organe aus Leiden als diese von uns dorthin vergeben wurden. (Leiden ist der Sitz der Stiftung Eurotransplant, verantwortlich als Service-Organisation für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern. Sie arbeitet hierzu eng mit den Organspende-Organisationen, den Transplantationszentren, den Laboratorien und den Krankenhäusern zusammen.)
Eine Ungleichung, die sich einmal rächen würde. Das sehen wir heute an dem ungleichen Verhältnis von Wartenden und zur Verfügung stehenden Organen. Daraus ergeben sich überdurchschnittlich lange Wartezeiten. Unerträglich für die chronisch Betroffenen, für die ein neues Organ oftmals die letzte Hoffnung auf ein normales Leben bleibt.
So lange ich mich erinnere, plädieren viele Patientenvertreter, an vorderster Front der gemeinnützige DIATRA-Verlag für die Widerspruchslösung. Doch die Realität sieht anders aus. Die Politik ist sich uneins und hatte zwischendrin mal die Zustimmungslösung beschlossen, die allerdings überhaupt keine Veränderung brachte. Und die Transplantationszahlen bleiben bis heute weit hinter den Zahlen von früher zurück.
Wir Patientenvertreter sind aktiv am Tag der Organspende, es gibt Radtouren für die Organspende und viele andere besondere Aktivitäten pro Organspende. Wie lässt sich die Politik noch wachrütteln, endlich einen neuen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, dass diese Schräglage aufgehoben wird?
Da ich Autorin bin, habe ich zu einem mir möglichen Mittel gegriffen. Seit vielen Jahren schreibe ich populäre, regionale Ostseekrimis. Für den vierten Ostseekrimi habe ich mir etwas Besonderes einfallen lassen, ich plädiere für die Widerspruchslösung und habe diese Forderung geschickt in den Roman eingebaut. Das Buch kommt gut an und ich würde mich freuen, wenn ich selbst durch einen Roman mithelfen kann, dass sich etwas ändert.
Mein größter Wunsch wäre, dass im Bundestag die meisten Abgeordneten bald für die Widerspruchslösung stimmen.
Marion Petznick