Statement von Professor Dr. Kai Schmidt-Ott, Direktor der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)
Prof. Dr. Kai Schmidt-Ott
12. Feb. 2025 · 4 Min. Lesezeit
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Über den aktuellen Stand der Nierentransplantation mit ihren Chancen und Herausforderungen sprach Professor Dr. Kai Schmidt-Ott (MHH) heute im Rahmen der Pressekonferenz im Vorfeld des 151. Kongresses der Nordwestdeutschen Gesellschaft für Innere Medizin (NWGIM), der am 14. und 15. Februar 2025 in Hamburg stattfindet. Hier sein Statement im Wortlaut:
Die Nierentransplantation ist die effektivste Therapie für Patienten mit terminaler Nierenkrankheit und verbessert deren Lebensqualität und Prognose erheblich. In Deutschland besteht jedoch ein erheblicher Mangel an Spenderorganen, was zu langen Wartelisten und einer hohen Mortalität auf der Warteliste führt. Herausforderungen sind neben der geringen Organspenderate auch die eingeschränkte Überlebenszeit transplantierter Nieren, was auf immunologische Abstoßungsreaktionen und Nebenwirkungen der notwendigen Immunsuppression zurückzuführen ist.
In der jüngeren Vergangenheit gab es aufregende und hoffnungsvoll stimmende Durchbrüche im Bereich der Xenotransplantation. Erste Erfolge bei der Transplantation genetisch modifizierter Schweinenieren in den Menschen wecken Hoffnung, den Organmangel langfristig überwinden zu können.1,2,3 Dennoch stehen diese Entwicklungen noch am Anfang, und bis zur klinischen Anwendung sind zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen.
Daher bleibt der Fokus weiterhin auf der Optimierung der Verfügbarkeit menschlicher Spendernieren, um die Wartezeit auf Nierentransplantate in Deutschland zu verkürzen, in parallelen Strategien das Transplantatlangzeitüberleben zu verbessern und Komplikationen nach Nierentransplantation zu verhindern.
Um in der Zukunft die Verfügbarkeit von Lebendspendernieren zu verbessern, gab es im letzten Jahr einen wichtigen politischen Vorstoß zur perspektivischen Änderung des Transplantationsgesetzes. Dieser Gesetzesentwurf stellt unter anderem die Weichen für eine sogenannte Überkreuz- Lebendnierenspende sowie die gesetzliche Grundlage für eine nicht gerichtete anonyme Nierenspende. Die Überkreuz-Lebendnierenspende ist insofern wegweisend, als dass diese die Lebendspende zwischen mehreren Spender-Empfänger-Paaren ermöglicht, die sonst untereinander immunologisch nicht kompatibel wären. Dieser Vorstoß ist in anderen Ländern bereits gängige Praxis und ist sehr zu begrüßen, weil es mehr Patienten den Zugang zur Lebendspende und zu einem aus immunologischer Sicht geeigneterem Organ ermöglicht. Es bleibt diesbezüglich auf eine zeitnahe Verabschiedung und Implementierung zu hoffen.
Hinsichtlich der Optimierung des Transplantatüberlebens ist zu sagen, dass trotz intensiver Forschung nicht alle Faktoren, die das Überleben des Nierentransplantats beeinflussen, vollständig in ihrer Tragweite verstanden sind.4 Dennoch stellen infektiöse Komplikationen und alloimmune Ereignisse, insbesondere Abstoßungsreaktionen, Hauptfaktoren dar, die das Transplantatüberleben gefährden. Eine besondere Herausforderung stellt die Antikörper- vermittelte Abstoßung (Antibody-Mediated Rejection, ABMR) dar, die lange als schwer oder nicht behandelbar galt. Jüngste Durchbrüche ergaben sich durch eine Therapie, die sich gezielt gegen Zellen richtet, die das Oberflächenprotein CD38 tragen, das eine entscheidende Rolle in der Pathogenese der ABMR zu spielen scheint. Erste klinische Daten zeigen, dass eine anti-CD38-gerichtete Therapie das Fortschreiten der Erkrankung signifikant verlangsamen kann.5
Neben der immunvermittelten Schädigung bleibt auch die BK-Virus(BKV)-Nephropathie eine gefürchtete infektiöse Komplikation, die zu Transplantatverlust führen kann. BKV gehört zur Gruppe der Polyomaviren und kann bei bis zu 80 Prozent der Menschen latent vorkommen, ohne dabei gesundheitliche Probleme zu verursachen. Dagegen kann BKV bei Patienten, deren Immunsystem durch die Einnahme immunsuppressiver Medikamente unterdrückt wird, zu einer schweren Entzündung im Nierentransplantat führen, die häufig zum Organverlust führt. Leider existiert derzeit keine wirksame Therapie gegen solche BKV- Infektionen. Ein interdisziplinäres Team an der Medizinischen Hochschule Hannover erreichte es durch den Einsatz allogener BKV-spezifischer T-Zellen, eine effektive Immunantwort gegen das Virus zu induzieren und so die Viruslast signifikant zu reduzieren (https://www.asn-online.org/education/kidneyweek/2024/program- abstract.aspx?controlId=4125060). Diese Therapieoption könnte eine vielversprechende Alternative zu den bislang limitierten Behandlungsmöglichkeiten darstellen.
Literaturverzeichnis
Mallapaty, S. & Kozlov, M. First pig kidney transplant in a person: what it means for the future. Nature 628, 13-14, doi:10.1038/d41586-024-00879-y (2024).
Montgomery, R. A., et al. Results of Two Cases of Pig-to-Human Kidney Xenotransplantation. N Engl J Med 386, 1889-1898, doi:10.1056/NEJMoa2120238 (2022).
Tatsuo Kawai, Winfred W. Williams, Nahel Elias, Jay A. Fishman, Kerry Crisalli, Alban Longchamp, Ivy A. Rosales, et al. Xenotransplantation of a Porcine Kidney for End- Stage Kidney Disease. New England Journal of Medicine, February 7, 2025, NEJMoa2412747. doi: 10.1056/NEJMoa2412747.
Hinze, C., Lovric, S., Halloran, P. F., Barasch, J., & Schmidt-Ott, K. M. Epithelial cell states associated with kidney and allograft injury. Nat Rev Nephrol 20, 447-459, doi:10.1038/s41581-024-00834-0 (2024).
Mayer, K. A., et al. A Randomized Phase 2 Trial of Felzartamab in Antibody-Mediated Rejection. N Engl J Med 391, 122-132, doi:10.1056/NEJMoa2400763 (2024).