Prof. Dr. Martin K. Kuhlmann: Patientenzahlen nehmen zu, Fachkräfte-Dichte geht zurück: Strategien im Umgang mit steigenden Patientenzahlen in der Nephrologie
Prof. Dr. Martin K. Kuhlmann
1. Okt. 2025 · 4 Min. Lesezeit
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Auch in der Nephrologie herrscht bereits jetzt ein Fachkräftemangel – nicht nur beim ärztlichen sondern auch beim pflegerischen Personal. Er wird sich in den nächsten 10 Jahren noch verstärken, da überproportional viele Fachkräfte in den Ruhestand gehen werden.
Basierend auf der Bevölkerungs- und der beobachteten Fallzahlentwicklung muss mit einer Zunahme der Nachfrage an nephrologischer Versorgung gerechnet werden; bis zum Jahr 2030 bereits um bis zu 24 Prozent gegenüber 2022. Gleichzeitig gehen bis 2030 voraussichtlich 27 Prozent der im Jahr 2022 aktiven Nephrologinnen und Nephrologen in den Ruhestand. Die durchschnittliche Arbeitszeit wird sich, bedingt durch den Trend zu mehr Anstellungen und Teilzeit, auf etwa 92 Prozent des Niveaus von 2022 verringern. Je nach Projektionsvariante fehlen somit zur Aufrechterhaltung des aktuellen Versorgungsniveaus bis 2030 voraussichtlich zwischen 200–400 Leistungserbringende.1 Auch in der Pflege wird es immer herausfordernder, vakante Stellen nachzubesetzen.
Zertifizierung von Weiterbildungsstätten für Pflege- und Assistenzpersonal: Seit Ende 2023 ist die DGfN in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Zertifizierungsinstitut ClarCert GmbH Herausgeber der Zertifikate „Zertifizierte Weiterbildungsstätte für die Qualifizierung zur/zum Dialysefachangestellten DGfN“ und „Zertifizierte Weiterbildungsstätte für die Qualifizierung zur Dialyseassistenz DGfN“. Der Fachkräftemangel in den Gesundheits- und Pflegeberufen sowie den medizinischen Assistenzberufen setzt alle Einrichtungen der medizinischen Fürsorge in Deutschland zunehmend unter Druck. Betroffen von dieser Entwicklung sind auch Dialyseeinrichtungen. Um eine qualitativ hochwertige Versorgung aller dialysepflichtigen Patientinnen und Patienten in Deutschland zu gewährleisten, muss der Kreis der in den Behandlungsprozess eingebundenen qualifizierten Mitarbeiter erweitert werden. Dieser Prozess soll durch zertifizierte Weiterbildungsstätten gefördert werden.
Einsatz zur Stärkung der Heimdialyse: DGfN legte im Jahr 2021 einen 10-Punkte-Plan vor.
Es braucht jedoch auch noch Anstrengungen von Politik und Selbstverwaltung
Die DGfN begrüßt die Bemühung der Bundesregierung, die „Wertschätzung und Attraktivität der Gesundheitsberufe“ zu erhöhen (Koalitionsvertrag). Dies muss jedoch ein andauernder Prozess werden, keine Einmalmaßnahme.
Weitere Förderung der Heimdialyse, Zuschläge in diesem Jahr nur der erste Schritt. Die Heimdialyse in Deutschland nimmt immer noch einen nachgeordneten Platz im
europäischen Vergleich ein. Vier wesentliche Pluspunkte sind: Erstens können Patientinnen und Patienten ihre Dialysebehandlungen nach ihren individuellen Bedürfnissen gestalten, was zu einer besseren Lebensqualität führt. Die Therapie in den eigenen vier Wänden verursacht zweitens geringere Umweltbelastungen, auch weil die Fahrten zur Dialysebehandlung größtenteils entfallen. Da für die Heimdialysebehandlung weniger Fachpersonal benötigt wird, kann man drittens dem zunehmenden Fachkräftemangel im Gesundheitswesen begegnen. Schließlich könnte die Dialyse zu Hause aus gesundheitsökonomischer Perspektive auf lange Sicht hin insgesamt kosteneffizienter sein als die Dialyse in einer Behandlungseinrichtung.
Mehr KI und Telemedizin im Behandlungsprozess, nephrologische Sprechstunde neu denken (damit das bestehende Personal die zunehmende Anzahl an Patientenfällen bei gleicher Qualität betreuen kann), Entwicklungen fördern, die Ausweitung der Telemedizin zur Stärkung der Heimdialyse, Schaffung der Rahmenbedingungen hierfür: Eine vereinfachte Kommunikationsmöglichkeit zwischen Betroffenen und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten sowie betreuenden Pflegekräften führt zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl während der Heimtherapie und kann dazu führen, dass sich mehr Patientinnen und Patienten für diese Verfahren entscheiden.
Qualität fördern – nicht die Bürokratie. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels dürfen die personellen Ressourcen, die für die Patientenversorgung vorgesehen sind, nicht weiter für bürokratische Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben gebunden werden. Die Entbürokratisierung in der Nephrologie braucht hierzu auch spezifische Maßnahmen: Die externe Qualitätssicherung (QS) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in der Nierenersatztherapie (QS NET) zeichnet sich durch zu große Komplexität, überzogene Anforderungen und kleinstteilige Kontrollen aus. Sie verfolgt nicht mehr das eigentliche Ziel der QS, die Patientensicherheit zu fördern. Zukünftige Vorgaben der QS NET müssen daher streng an dem Ziel einer Verbesserung der Patientenversorgung orientiert sein und nicht durch überzogene Dokumentationsaufwände zu einem Versorgungsverlust führen. Hierzu müssen angelaufene Regelungen immer wieder überdacht, bei Bedarf zielführend reduziert oder auch beendet werden.
Klärung aller rechtlichen und vergütungsrelevanten Rahmenbedingungen für den Einsatz neuer Berufsbilder (zum Beispiel Physician Assistant). Gleichzeitig darf für die Praxis keine Konkurrenz zwischen den neuen Berufsbildern sowie den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung hergestellt werden.