Gesundheitspolitik
Organspende

Patientenschützer? Betroffene fordern Widerspruchsregelung

DIATRA-Redaktion

1. Okt. 2025 · 4 Min. Lesezeit

Kürzlich äußerte Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, in einem Statement zur Widerspruchslösung bei der Organspende: „Schweigen ist keine Zustimmung. Auch greift die Widerspruchslösung erheblich in die körperliche Unversehrtheit ein. Schließlich müssen vor der Feststellung des Hirntods medizinische Maßnahmen ergriffen werden, um eine mögliche Organentnahme nicht zu gefährden. Zudem hält sich hartnäckig der Irrglaube, dass allein eine Widerspruchslösung zu viel mehr Transplantationen führen wird. Mit ihrem erneuten Einbringen in den Bundestag lenken die Länder von ihrem Versagen ab, dass Transplantationsregister für breite Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen.“ Brysch äußert zudem Bedenken, dass die Rolle der Angehörigen in der Debatte um die Widerspruchsregelung unklar dargestellt wird, obwohl sie nach aktuellem Gesetz weiterhin einbezogen werden.“

Doch wer ist hier eigentlich Patientenschützer – und wer spricht im Namen der Menschen, deren Leben wirklich von einer Organ- oder Gewebespende abhängt?

Die wahren Stimmen der Patienten

Die Antwort ist eindeutig: Die Menschen auf den Wartelisten selbst fordern seit Jahren die Einführung der Widerspruchsregelung – und zwar aus bitterer eigener Erfahrung.

Susanne Dammann, Vorsitzende der bundesweiten PKD Familiäre Zystennieren e.V., verlor ihre Schwester kurz vor einer DIATRA-Videoschalte im Sommer 2024 (zur Pressemitteilung): „Der Tod meiner Schwester ist ein harter Schlag für mich. Er motiviert mich aber noch mehr, mich in der Selbsthilfe und für die Widerspruchsregelung einzusetzen. Genau wie meine Großmutter, meine Mutter und meine Schwester bin ich von familiären Zystennieren und Zystenleber betroffen – und alle drei mussten daran sterben, weil das Leben eines organkranken Menschen in Deutschland so wenig zählt. Bis zur Einführung der Widerspruchsregelung hoffe ich noch durchzuhalten.“

Auch die lebertransplantierte Gudrun Ziegler vom Bündnis Organspende Berlin bekräftigt: „Das ist unsere letzte Chance für die Einführung der Widerspruchsregelung, damit Menschen wie Rebecca Biernat [s. hier und hier] mit Mitte Dreißig nicht mehr sterben müssen.“

Und Gudrun Manuwald-Seemüller, selbst lebertransplantiert und Managing Director der World Transplant Games, die dieses Jahr in Dresden stattfanden, erklärt: „Wir wollen die World Transplant Games nutzen, um dieses lebenswichtige Thema in der Öffentlichkeit voranzutreiben. Uns rennt die Zeit davon.“

Selbstbestimmung bleibt erhalten

Während Brysch und andere Kritiker von einem Eingriff in die Selbstbestimmung sprechen, zeigt die Realität: Niemand wird zur Spende gezwungen. Ein einfacher Widerspruch genügt, um sich dauerhaft auszuschließen.

Die eigentliche Verletzung der Selbstbestimmung liegt im jetzigen System: Viele Menschen befürworten die Organspende, dokumentieren ihren Willen aber nicht. Angehörige müssen dann in einer Schocksituation entscheiden – oft ohne klare Grundlage. Die Widerspruchsregelung schafft Klarheit und entlastet Familien.

Wie Pater Klaus Schäfer, Seelsorger an einem Transplantationszentrum, betont: „Der Staat regelt durch die Widerspruchsregelung nur das, was rund 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger nach zehn Jahren intensiver Aufklärung nicht geregelt haben.“

Aufschub kostet Leben

Brysch warnt vor der Reform. Doch für Wartepatienten zählt jeder einzelne Tag. Schon jetzt sterben jedes Jahr hunderte Menschen, weil das rettende Organ nicht rechtzeitig kommt. Ein weiteres Abwarten bedeutet: mehr Todesfälle, mehr Leid.

Internationale Erfahrungen und ethische Verantwortung

Auch der Hinweis, Länder mit Widerspruchsregelung hätten keine höheren Spenderzahlen, ist irreführend. Spanien, Belgien oder Österreich zeigen das Gegenteil: Mit Widerspruchsregelung und guter Organisation sind deutlich bessere Ergebnisse möglich. Deutschland hat weder das eine noch das andere – die Widerspruchsregelung wäre der notwendige erste Schritt.

Zudem sprechen sich auch Kirchenvertreter für diesen Weg aus. Papst Franziskus bezeichnete Organspende als „edle und verdienstvolle Tat“ und als Zeichen der Nächstenliebe.

Zeit zu handeln – Leben retten

Während Brysch und andere vermeintliche „Patientenschützer“ den Stopp der Reform fordern, erheben die Betroffenen selbst ihre Stimme: Sie wollen die Widerspruchsregelung – weil es um ihr Leben geht.

Die Selbstbestimmung bleibt gewahrt. Die Kultur der Organspende würde gestärkt. Und vor allem: Jede Verzögerung kostet Menschenleben.

Es ist an der Zeit, die Stimmen derjenigen zu hören, die wirklich betroffen sind – die Menschen auf den Wartelisten und ihre Angehörigen. Politik und Öffentlichkeit dürfen nicht länger abwarten: Die Widerspruchsregelung muss jetzt umgesetzt werden. Jedes weitere Zögern kostet Leben.