Dennis M Stamm
26. Aug. 2025 · 3 Min. Lesezeit
Seit Beginn der russischen Invasion verbreiten Kreml-nahe Medien und Kanäle immer wieder die Behauptung, die Ukraine sei ein Zentrum für illegalen Organhandel. Diese Geschichten sind Teil einer gezielten Desinformationsstrategie, die darauf abzielt, das Land moralisch zu diskreditieren und Zweifel an der westlichen Unterstützung zu schüren.
Besonders häufig lautet die Falschmeldung, die Ukraine sei „zum globalen Schwarzmarkt für Organe“ geworden, mit geheimen Operationssälen nahe der Front, in denen verletzte Soldaten angeblich für Organentnahmen missbraucht würden (EUvsDisinfo). In anderen Varianten wird behauptet, das ukrainische Parlament habe 2021 den „Organhandel ohne Zustimmung“ legalisiert (VOA News). Besonders perfide sind Erzählungen von sogenannten „Babyfarmen“, in denen Kinder angeblich gezüchtet würden, um später ihre Organe zu entnehmen (Ukraine Fact Check). Auch Verschwörungsgeschichten über eine Beteiligung westlicher Geheimdienste an illegalen Transplantationen werden gestreut (EUvsDisinfo).
Belege für diese Behauptungen gibt es jedoch keine. Internationale Organisationen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben wiederholt erklärt, dass es keinerlei Hinweise auf organisierten Organhandel in der Ukraine gibt (EUvsDisinfo). Auch medizinisch ist ein solches Vorgehen an der Front nicht plausibel: Organtransplantationen erfordern sterile Kliniken, hochspezialisierte Chirurg:innen und eine komplexe Logistik – Bedingungen, die in einem Kriegsgebiet schlicht nicht gegeben sind (VoxUkraine).
Die Gesetzeslage in der Ukraine widerspricht den Vorwürfen ebenfalls eindeutig. Tatsächlich wurden die Regeln für Organspenden 2021 reformiert und verschärft: Seitdem gibt es ein offizielles Online-Register, in dem Bürger:innen ihre Zustimmung oder Ablehnung zur Organspende dokumentieren können. Ohne diese Einwilligung oder die Zustimmung der Familie darf keine Organentnahme erfolgen. Zudem ist die Entnahme von Organen bei Kriegstoten ausdrücklich verboten (StopFake).
Faktenchecker wie „StopFake“, „VoxCheck“, die ukrainische Regierungsstelle „Centre for Countering Disinformation“ und die EU-Initiative „EUvsDisinfo“ haben wiederholt aufgezeigt, dass diese Narrative seit Jahren immer wieder hervorgeholt werden und im Kern auf das Prinzip der „Anschuldigung im Spiegel“ („Accusation in Mirror“) zurückgehen: Russland wirft der Ukraine Gräueltaten vor, die es selbst verübt oder verüben könnte (CPD Ukraine, Wikipedia).
Eine besonders absurde Variante der Desinformation behauptet, ukrainische Organe würden nach Deutschland exportiert oder dort auf den Schwarzmarkt gelangen. Einige russische Propagandakanäle spekulierten sogar über ein Netzwerk transnationaler Organhändler, das Deutschland als Abnehmer bezeichnen. Diese Behauptungen bleiben jedoch vollständig unbelegt. Weder Ermittlungsbehörden noch seriöse deutsche Medien haben jemals entsprechende Hinweise oder Beweise aufgezeigt. Vielmehr betonen Faktenchecker und Offizielle, dass deutsche Transplantationskliniken streng kontrolliert sind und sich an hohe ethische Standards halten – jeder Organhandel ohne Zustimmung wäre hier sofort aufgedeckt worden. Zudem warnen Expert:innen, dass solche Spekulationen deutlich auf das „Accusation in Mirror“-Prinzip hindeuten.
Der Zweck dieser Kampagnen ist klar: Durch Horrorvorstellungen von „Organraub“ sollen emotionale Abwehrreaktionen hervorgerufen, Misstrauen gegen ukrainische Institutionen geschürt und die Unterstützung für das Land im Ausland untergraben werden. Am Ende bleibt festzuhalten: Alle Geschichten über angeblichen Organhandel in der Ukraine sind nachweislich frei erfunden und dienen als Waffe im Informationskrieg – nicht der Aufklärung.