EKHA
10. Okt. 2023 · 10 Min. Lesezeit
In einem offenen Brief an die politischen Entscheidungsträger der Europäischen Union, der im Anschluss an den Europäischen Tag der Organspende und -transplantation 2023 (European Donation Day - EDD) veröffentlicht wurde, unterstreicht die European Kidney Health Alliance (EKHA) die dringende Notwendigkeit, einen neuen Aktionsplan für Organspende und -transplantation zu entwickeln, um den Mangel an Spenderorganen in der EU zu beheben.
Am Samstag, den 7. Oktober, wurde der Europäische Tag der Organspende und -transplantation begangen. Dies ist ein geeigneter Zeitpunkt, um über den aktuellen Stand der Organspende und -transplantation in der Europäischen Union nachzudenken. Zwischen 2009 und 2015 hat der EU-Aktionsplan für Organspende und -transplantation beachtliche Erfolge erzielt, indem er die Verfügbarkeit von Organen erhöht, die Effizienz und Zugänglichkeit von Transplantationssystemen verbessert und die Qualität und Sicherheit in ganz Europa erhöht hat, wodurch die Gesamtzahl der Organspender:innen in der EU um 17 % gestiegen ist. Seit dem Abschluss dieses Aktionsplans im Jahr 2015 ist diese Rate jedoch ins Stocken geraten und sogar zurückgegangen, da in mehreren EU-Mitgliedstaaten die Zahl der Organspender:innen rückläufig ist.
Seit dem Abschluss dieses Aktionsplans im Jahr 2015 ist diese Rate jedoch ins Stocken geraten und sogar zurückgegangen, wobei mehrere EU-Mitgliedstaaten einen Rückgang der Zahl der Organspender zu verzeichnen haben.
In Europa sind nicht übertragbare Krankheiten (NCDs) in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Gesundheitsproblem geworden. Für Betroffene, die an unheilbarem und irreversiblem Organversagen infolge fortschreitender NCDs leiden, ist die Organtransplantation oft die einzige lebensrettende Option. In der Europäischen Union sterben jeden Tag etwa 18 Menschen, die auf eine Transplantation warten. Um diese dringende Situation anzugehen, fordert die EKHA die Europäische Kommission und die Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) auf, dringend einen erneuerten EU-Aktionsplan für Organspende und -transplantation für die Amtszeit der Europäischen Union 2024-2029 zu entwickeln, für den sich bereits mehrere MdEP ausgesprochen haben.
Der offene Brief der EKHA, in dem die Ausarbeitung eines zweiten EU-Aktionsplans für Organspende und -transplantation gefordert wird, wird von 21 Unterzeichnern befürwortet.
Zum offenen Brief (PDF)
Aufruf zu einem erneuerten EU-Aktionsplan für Organspende und -transplantation im Rahmen des Mandats 2024-2029
Sehr geehrte kommende EU-Ratspräsidentschaften,
Sehr geehrte Commission Directorate General for Health and Food Safety (DG SANTE), sehr geehrte Mitglieder des Europäischen Parlaments und Kandidaten für die Europawahlen 2024,
am Europäischen Tag der Organspende und -transplantation erneuert die European Kidney Health Alliance (EKHA) zusammen mit den 21 unterzeichnenden Organisationen ihre Forderung nach einem zweiten EU-Aktionsplan für die Amtszeit 2024-2029.
Hintergrund
Zwischen 2009 und 2015 hat der EU-Aktionsplan für Organspende und -transplantation beachtliche Erfolge erzielt, indem er die Verfügbarkeit von Organen erhöht, die Effizienz und Zugänglichkeit der Transplantationssysteme verbessert und die Qualität und Sicherheit in ganz Europa erhöht hat1. Laut der Wirkungsstudie der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2017 stieg die Gesamtzahl der Organspender:innen während der Laufzeit des Aktionsplans um 17 %, einschließlich eines Anstiegs von 29,5 % bei den Lebendorganspender:innen und von 12 % bei den verstorbenen Organspender:innen2. Seit dem Ende des Aktionsplans stagnieren diese Raten jedoch3, in einigen Ländern ist sogar ein Rückgang zu verzeichnen4, während der Bedarf an transplantierten Organen in Europa weiter steigt5.
In diesem Schreiben nennen wir Ihnen die drei Hauptgründe, warum eine Wiederbelebung der Maßnahmen im Bereich der Organspende und -transplantation zur Verwirklichung der Ziele der Europäischen Gesundheitsunion beitragen würde und in Ihrer nächsten Amtszeit ganz oben auf der Prioritätenliste stehen sollte.
Transplantation rettet Leben und Geld
In Europa haben sich nicht übertragbare Krankheiten (NCD) in den letzten Jahrzehnten zu einem wichtigen Gesundheitsproblem entwickelt. Jeder vierte Europäer ist davon betroffen und 86 % der europäischen Todesfälle sind darauf zurückzuführen6. Bei einer beträchtlichen Anzahl von NCD-Patient:innen kommt es zu einem unheilbaren und irreversiblen Organversagen7, für das eine Transplantation (meist der Niere, der Leber, des Herzens und der Lunge8) oft die einzige lebensrettende Option ist. Die Organtransplantation, die als einer der größten medizinischen Fortschritte des 20. Jahrhunderts gilt9, verbessert die Lebensqualität, beseitigt die belastenden Symptome des chronischen Organversagens, erleichtert die soziale Wiedereingliederung und ist sowohl für die Patient:innen als auch für die Gesundheitssysteme kosteneffizient10. Selbst bei Nierenerkrankungen im Endstadium, bei denen die Dialyse als therapeutische Alternative in großem Umfang zur Verfügung steht, stellt die Transplantation die beste Behandlungsoption dar, wenn sie durchführbar ist11. Angesichts des großen ökologischen Fußabdrucks, den die häufigen Krankenhausaufenthalte von Patient:innen mit Organversagen und die anspruchsvollen technischen Eingriffe (wie Herzunterstützung oder Dialyse), denen sie sich unterziehen müssen, hinterlassen, kann die Transplantation erhebliche Vorteile für die Umwelt mit sich bringen12.
Nach wie vor große Defizite bei Organspenden und Transplantationen in der EU
Trotz einer im Vergleich zu anderen Kontinenten guten europäischen Erfolgsbilanz im Bereich der Transplantation13 übersteigt die Nachfrage nach Transplantationen immer noch bei weitem das Angebot14, was dazu führt, dass jeden Tag etwa 18 Patient:innen in Erwartung einer Transplantation sterben15. Darüber hinaus bestehen zwischen den Mitgliedstaaten nach wie vor erhebliche Unterschiede sowohl bei der Lebendspende als auch bei der Organspende von Verstorbenen, da es keine einheitliche Praxis gibt16. Infolgedessen sind die Unterschiede bei den jährlichen Organtransplantationsraten in der EU nach wie vor beträchtlich, wobei der Unterschied zwischen den Ländern mit den höchsten und den niedrigsten jährlichen Raten mehr als zehnmal so groß ist17. Was den Zugang zu Organen anbelangt, so sind deutliche Ungleichheiten für bestimmte gesellschaftliche Untergruppen zu beobachten, darunter Minderheiten und Menschen mit geringer Gesundheitskompetenz18. Diese Situation hat sich während der COVID-19-Pandemie noch verschärft, als der Rückgang der Organspende- und Transplantationsraten in einigen Mitgliedstaaten bis zu 80 % erreichte19.
Die Forderung nach einem zweiten EU-Aktionsplan stützt sich auf Fakten und erfährt breite Unterstützung
In der Folgenabschätzung der Europäischen Kommission zum ersten EU-Aktionsplan wurde auf die Notwendigkeit und den Mehrwert eines neuen, verbesserten Plans hingewiesen, der Bereiche wie Kommunikation, Ausbildung von Fachkräften, Erfahrungsaustausch über Minderheiten und neue Bevölkerungsgruppen, Versorgung am Lebensende und Forschung abdeckt20. Die Mitgliedstaaten schlossen sich der Studie der Kommission an und stellten fest, dass dieser Aktionsplan zur Verbesserung der nationalen Politik und der Aktivitäten im Bereich der Organspende beiträgt, indem er eine gemeinsame Agenda und den Austausch von Know-how ermöglicht21. Mehrere Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) sprachen sich in parlamentarischen Anfragen22 oder öffentlichen Erklärungen ebenfalls nachdrücklich für einen erneuerten Aktionsplan aus.23 Im Jahr 2020 forderten mehr als 91 Interessengruppen, darunter die Zivilgesellschaft, die zuständigen nationalen Behörden und MdEP, die Kommission auf, unverzüglich einen verbesserten Aktionsplan zu erstellen24.
Fazit
Es liegt auf der Hand, dass ein neuer EU-Aktionsplan für Organspende und -transplantation dazu beitragen würde, die unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Länder zu harmonisieren, die Koordinierung zu erleichtern und die Fortschritte zu überwachen. Der Aktionsplan wäre auch ein guter Hebel, um Forschung und Innovation anzuregen, um die Wirksamkeit der Transplantation zu erhöhen und damit die Wartezeiten in der EU zu verkürzen. Die Europawahlen 2024, die vor dem Hintergrund der weltweiten Krise des Organmangels stattfinden, sind die perfekte Gelegenheit, die Weichen für diese anstehende Maßnahme zu stellen und den Patient:innen lebensrettende Veränderungen zu bringen. Die bevorstehende hochrangige Konferenz der spanischen EU-Ratspräsidentschaft zur globalen Konvergenz im Bereich der Transplantation25 ist ein Schritt in die richtige Richtung, der die Mandate und Prioritäten der nächsten EU-Ratspräsidentschaften von Kommission und Parlament inspirieren sollte.
Mit freundlichen Grüßen
Raymond Vanholder, EKHA-Präsident,
zusammen mit den folgenden Organisationen:
Cooperative European Paediatric Renal Transplant Initiative CERTAIN
Czech Transplant Coordination Centre
Dutch Kidney Foundation
Estonian Society for Biomedical Engineering and Medical Physics
European Dialysis and Transplant Nurses Association/European Renal Care Association
European Kidney Patients’ Federation
European Renal Association
European Society for Organ Transplantation
Federation of European Patient Groups affected by Rare/Genetic Kidney Diseases
Francophone Society for Dialysis and Transplantation
Deutsche Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
Hellenic Society Of Nephrology
Hungarian Society of Nephrology
International Society of Nephrology
KfH - Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V.
Latvian Association of Nephrology
Portuguese Society of Nephrology
Slovenian Society of Nephrology
Spanish Kidney Research Network
Spanish National Transplant Organization
Swedish Society of Nephrology
Quellen