Nephrologie

Aufruf zur Unterstützung: Offener Brief "Gute Dialyse für alle – eine Gemeinschaftsaufgabe"

Jörg Rockenbach

30. Nov. 2023 · 4 Min. Lesezeit

DIATRA 4-2023

Der Verein Heim Dialyse Patienten e.V. sucht weitere Unterstützer für einen offenen Brief, mit dem den Verantwortlichen in der Politik und den Kassenärztlichen Vereinigungen die prekäre Situation in den deutschen Dialysezentren, aber auch in der Finanzierung von assistierter Dialyse und Heimdialyse aufgezeigt werden soll. 
Wenn Sie unseren Aussagen und dem Inhalt unseres Schreiben zustimmen und auch der Meinung sind, das sich hier etwas ändern muss, würden wir uns über die Zusendung Ihres Vereins- oder Firmenlogos sehr freuen (joerg.rockenbach@hdpev.de). Der Brief soll dann an den Bundesgesundheitsminister, die 42 Mitglieder des Gesundheitsausschuss, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die 17 Kassenärztlichen Vereinigungen versandt werden.

Über 90.000 Menschen in Deutschland sind aktuell aufgrund einer Nierenerkrankung auf eine Nierenersatztherapie angewiesen. Aufgrund der katastrophal geringen Zahl an Organspenden in Deutschland warten PatientInnen lange Jahre auf eine Nierentransplantation, die allermeisten sind jedoch lebenslang auf die Dialysebehandlung angewiesen – in aller Regel in einem Dialysezentrum, denn nur 6,8%, also nicht einmal jede/r 10. PatientIn wird mit einem Heimdialyseverfahren (ca. 680 Heimhämodialyse, ca. 5500 Peritonealdialyse)1 behandelt. Daten aus anderen Ländern zeigen, dass wesentlich mehr PatientInnen für ein Heimdialyseverfahren in Frage kommen.2

Leider ist die Situation in den Dialysezentren weiter angespannt. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Wie auch in anderen medizinischen Bereichen ist es zunehmend schwieriger geworden, ÄrztInnen und Pflegende für die betreuungsintensive Dialyse zu finden und auch auszubilden. Hinzu kamen Einschnitte im organisatorischen Ablauf der Zentren durch die Corona-Pandemie. Dies hat dazu geführt, dass Nacht- und Spätschichten in vielen Dialyseeinrichtungen gestrichen wurden und aufgrund von strengeren Hygienemaßnahmen Schichten organisatorisch und personell getrennt werden mussten, so dass in der Folge auch die Dialysezeit und damit die Behandlungsqualität für viele PatientInnen reduziert werden musste. Dies bedeutet eine erhebliche Verschlechterung der Lebensqualität der Betroffenen, sowohl durch schlechtere Entgiftung, aber auch, weil viele nicht mehr einer Berufstätigkeit nachgehen können und ihre sozialen Bezüge in der Familie, Kontakte zu Freundinnen und Freunden und die Teilhabe am öffentlichen Leben wegbrechen.

Hinzu kommt auch, dass die Heimdialyseverfahren nur in geringem Umfang eingesetzt werden, obwohl diese gerade in der jetzigen Lage erhebliche Vorteile bieten: So kann die Behandlungsqualität durch längere Dialysezeit verbessert werden und die Dialysebehandlung ist besser und flexibler mit dem Familienleben und der Berufstätigkeit vereinbar. ÄrztInnen wissen dies – und würden zu über 90 % für sich selbst ein Heimdialyseverfahren wählen.3

Dabei ist unter Fachleuten unumstritten, dass für eine erheblich größere Anzahl von PatientInnen die Heimdialyseverfahren auf vielen Ebenen Vorteile haben können, ökonomisch und ökologisch durch Einsparung von Fahrtkosten zum Dialysezentrum, aber auch ökologisch durch Einsatz und Entwicklung angepasster kleinerer Geräte, längerfristig vielleicht schon mobil einsetzbar mit geringerem Ressourcenverbrauch, geringerem Wasser- und Energiebedarf.Nach unserer Erfahrung läuft die Behandlungsrealität in Deutschland geradewegs auf das Gegenteil zu: Es mangelt an umfassender Information,

Aufklärung und Wahlmöglichkeit für die Dialyseverfahren, an einem flächendeckenden Angebot aller Dialyseverfahren und einer flexiblen Kostenerstattung für die Behandlungen, die den Einsatz von Heimdialyseverfahren fördern können.

Deshalb können weltweite Fortschritte in der Dialysetechnik in Deutschland nicht etabliert werden und werden damit PatientInnen vorenthalten. Es wurden wesentlich kleinere und ressourcenschonendere Maschinen entwickelt, die in zahlreichen anderen Ländern ihren Platz im Behandlungsspektrum fest einnehmen, bei uns aber aufgrund der starren Finanzierung der Dialyse nicht erprobt und eingesetzt werden können.

Wir fordern daher mehr Aufmerksamkeit und gemeinsame Anstrengungen zur Verbesserung und Flexibilisierung der Dialysebehandlung, die ja für uns PatientInnen einen tiefen Einschnitt in unser Leben bedeutet. Wir fordern mehr Möglichkeiten und Förderung für die Umsetzung medizinischer Innovation, wie den Einsatz kleinerer Geräte, flächendeckende Etablierung der Heimdialyseverfahren wie Peritonealdialyse und Heimhämodialyse und die Wiedereinführung flächendeckend verfügbarer Abend- und Nachtschichten in den Zentrumsdialysen.

Quellen

  1. https://www.g-ba.de/downloads/17-98-5112/2020-08-05_IQTIG-Jahresbericht-2019_inkl- Bewertung.pdf (abgerufen am 20.9.2023)
  2. Jain AK, Blake P, Cordy P, Garg AX. Global trends in rates of peritoneal dialysis. J Am Soc Nephrol. 2012 Mar; 23(3):533-44. DOI: 10.1681/ASN.2011060607. Epub2012 Feb 2. PMID: 22302194; PMCID: PMC3294313 (Abstract abgerufen 20.9.2023 unter https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22302194/)
  3. Kitsche B, Bach D. Heimhämodialyse Aktuelle Aspekte und Wandel in der Nierenersatztherapie. https://doi.org/10.1007/s00740-022-00436-1 (abgerufen 20.9.2023)