Keine Ergebnisse

Veranstaltungsberichte
Organspende

1. Mainzer Organ- & Gewebefestival

Ein buntes Fest, das Betroffene, Expert:innen und Interessierte zusammenbrachte

Agata Stark

14. Juni 2024 · 9 Min. Lesezeit

DIATRA 2-2024

Alles fing Anfang dieses Jahres damit an, dass unser gemeinnütziger DIATRA-Verlag mit einem Benefizkonzert auf die Themen Or­gan- und Gewebespende, die für uns zusammengehören, aufmerksam machen wollte. Nach einem Telefonat war Thomas Schipper von der Punkrock-Band „Hafensaengers” aus Hamburg bereit, nach Mainz zu kommen. Thomas spricht offen über die von seiner damaligen Freundin gespendete Niere. Als es klar wurde, dass sich noch mehr Künstler für die Organ- und Gewebespende einsetzen möchten, beschlossen wir, dass alles nicht in einen kleinen Rahmen passt und daraus ein Festival werden soll.

Wir hatten auch bald einen besonderen Ort im Kopf, der Menschen in Rheinland-Pfalz und Hessen verbindet, und zwar in Mainz-Kastel. Dieses Stadtviertel von Wiesbaden war vor der amerikanischen Besatzung und dem Zweiten Weltkrieg ein Teil von Mainz und steht auf Grundsteinen aus römischer Zeit. Rund um die historische französische Festung Reduit, wo unser Festival stattfinden sollte, treffen heute viele Kulturen aufeinander. Sehr deutlich wird das durch die Kunstwerke des internationalen „Meeting of Styles“, das alljährlich Graffiti-­Schaffende aus der ganzen Welt kommen lässt. 

Reduit in Mainz-Kastel, in dessen Kinder- und Jugendzentrum das 1. Mainzer Organ- und Gewebefestival stattfand, darüber das bundesweite Symbol pro Organ- und Gewebespende
Reduit in Mainz-Kastel, in dessen Kinder- und Jugendzentrum das 1. Mainzer Organ- und Gewebefestival stattfand, darüber das bundesweite Symbol pro Organ- und Gewebespende

Unser Motto „Spenden kann jede:r“ soll alle Menschen anspornen, sich mindestens einmal im Leben mit dem Thema zu beschäftigen, ihre Entscheidung zu dokumentieren und ihre Angehörigen darüber zu informieren. Viele der Anwesenden äußerten die Meinung, dass Deutschland die Widerspruchsregelung dringend benötigt, und dass die geplante gesetzliche Erweiterung der Cross-Over-Le­bendspende kein Game-Changer für die mehrere zehntausend Organerkrankten, auch nicht für die auf der Warteliste, bedeuten wird. Ebenso stellte es auch der Südwestrundfunk (SWR), der zusammen mit der „Allgemeinen Zeitung“ vor Ort war, in seiner Sendung „SWR aktuell“ am 1. Juni um 19:30 Uhr in den Kontext.

Dieses Festival am 1. Juni wurde ein gemeinsames Fest für chronisch Erkrankte, Fachleute und ein breites Publikum, bei dem alle miteinander beim gemeinsamen Feiern in Berührung kommen konnten: Ein Fest des (Über)lebens parallel zu vielen anderen in Deutschland zum bundesweiten „Tag der Organspende“. Neben der Hauptveranstaltung in Freiburg hatte die Landeszentrale für Gesundheit Rheinland-Pfalz (LZG) auf der Mainzer Rheinseite einen Info­stand unter dem Motto #Mainz­entscheidetsich aufgebaut.

Susanne Dammann, 1. Vorsitzende des PKD Familiäre Zystennieren e.V. beim 1. Mainzer Organ- und Gewebefestival
Susanne Dammann, 1. Vorsitzende des PKD Familiäre Zystennieren e.V. beim 1. Mainzer Organ- und Gewebefestival


So luden wir Selbsthilfegruppen, Fachgesellschaften und Interessierte (aus ganz Deutschland) ein. Unterstützung erhielten wir unter anderem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e.V. (DGTHG), der Deutschen Gesellschaft für Gewebespende (DGFG), der „Druckerbande“ mit T-Shirts (vielen Dank für den Preisnachlass),  die „Souperie“ mit einem Catering zum Soli­-Preis, Ludwig Walz mit dem Symbol-Stempel, Susanne Dammann 

1. Vorsitzende der Selbsthilfegruppe PKD Familiäre Zystennieren e.V.) und Chris Dammann aus Hamburg, Sven Schmidt aus Limburg (1. Vorsitzender von „Von und für nierenkranke Kinder und Jugendliche e.V.“) und vielen weiteren Köpfen und Händen beim Organisieren, dem Auf- und Abbau und der Essens- und Getränkeausgabe.

Da noch wenige Wochen vor dem 1. Juni unklar war, ob wir genug Sponsoren finden würden, um die Organisationskosten zu decken, hatten wir einen Preis für Kinder in Höhe von 5 Euro und 10 Euro ab 16 Jahren festgesetzt.  Keine leichte Entscheidung, wollten wir das Festival doch allen Menschen frei zugänglich machen, doch so ist das eben, wenn keine öffentlichen Gelder zur Verfügung stehen. Doch dank der finanziellen Unterstützung durch die Chiesi  GmbH, der Landesbank Baden-­Württemberg sowie der Mainzer Sparkasse bekamen wir letztlich genug Spenden zusammen, sodass kostenloses Essen und Trinken möglich waren.

„Als Frau Stark und Herr Stamm mit der Idee, ein Organ- und Gewebespendefestival auszurichten, auf uns zukamen, waren wir sofort begeistert. Dieses (über)lebenswichtige Thema, dem doch immer eine gewisse Schwere anhaftet, mit Freude, Tanz und Lebenslust zu vereinen, ist einfach wunderbar. Denn was, wenn nicht Lebensfreude ist es, was eine Organspende dem oder der Empfänger:in wieder ermöglicht! Deshalb haben wir diese Idee sehr gern unterstützt und uns sehr gefreut, dass wir vor Ort dabei sein durften“, so Nicole Seeligmüller von Chiesi Deutschland.

Die Mainzer Mobilität schaltete an jeder Haltestelle am 31. Mai und 1. Juni – wie schon zwei Jahre zuvor – den elektronischen Schriftzug „Am 1. Juni ist Tag der Organspende. Mehr Infos zu Aktionen unter www.diatra.de/events“, um auf den Tag der Organspende und das Festival aufmerksam zu machen. Zusätzlich hingen in der Mainzer Innenstadt an jeder Bus- und Tramhaltestelle die von DIA­TRA grafisch erstellten Festivalplakate. Die Grafik mit der gehobenen Faust und dem bundesweiten Symbol pro Organ- und Gewebespende ist selbstredend, da die chronisch Erkrankten für ihre Patientenrechte kämpfen müssen.

Fäuste hoch mit gestempelten Symbol pro Organ- und Gewebespende vor dem Festivalplakat
Fäuste hoch mit gestempelten Symbol pro Organ- und Gewebespende vor dem Festivalplakat


Das Schauspiel-Ensemble des Galli Theaters Wiesbaden aus Heidrun Ohnesorge, Oliver Born und Kajo Unger boten uns herzlich an, das bundesweit bekannte Theaterstück „Die Spenderniere“ aufzuführen. Dieses Aufklärungstheaterstück wurde von Johannes Galli, dem Gründer des internationalen Galli-Theaters, geschrieben, nachdem er selbst an Nierenversagen erkrankt und auf die Dialyse angewiesen ist. Die Theatergruppe erklärte, welche große Bedeutung eine zu Lebzeiten getroffene Entscheidung zur Organspende hat. Durch eine großzügige Geste kann die Organspende bis zu 8 Menschenleben retten. Die Wartezeit auf ein Organ, Hirntod und Tod wurden auf spielerische und humorvolle Weise erläutert. Im Himmel angekommen sprach die an einem Unfall verstorbene Frau von ihrem beruhigten Gewissen, für ihren Nachlass durch den ausgefüllten Organspendeausweis gesorgt und ihre Angehörigen somit um eine extrem schwere Entscheidung entlastet zu haben. Kinder ab sieben Jahre und Erwachsene sahen sich das pädagogisch wertvolle und für jedes Alter geeignete Theaterstück an und hatten eine Menge Spaß. Danke an das Galli Theater für dieses Theaterstück, das ein ernsthaftes Thema so aufbereitet, dass der Tod seinen Schrecken verliert und bei dem man aus vollstem Herzen lachen darf.

Oliver Born, Kajo Unger und Heidrun Ohnesorge vom Galli Theater Wiesbaden im Artikel der Allgemeinen Zeitung vom 3. Juni 2024 über das Festival
Oliver Born, Kajo Unger und Heidrun Ohnesorge vom Galli Theater Wiesbaden im Artikel der Allgemeinen Zeitung vom 3. Juni 2024 über das Festival


Die Mainzer Künstlerin Carolin Asmussen zeigte ihre für das Festival ausgesuchten passenden Arbeiten von „Body and soul connection“. Sie verleiht den recycelten Materialien, aus denen sie ihre Kunstwerke herstellt, ein zweites Leben. Diese tragen stets eine Geschichte mit sich und sorgen für eine niedrige Ökobilanz. Die Themen „Recycling“ und „Nachhaltigkeit“ wurden so während des Festivals nach vorne gebracht. Asmussens Ausstellung kann aktuell in ihrem Atelier und Laden „Nur hübsch war gestern“ in Mainz bis Ende Juli besucht werden. Asmussen belegte 2022 den 2. Platz im Symbolwettbewerb „Spenden kann jede:r“, den der DIATRA-Verlag unter der Schirmherrschaft der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) ins Leben gerufen hat. Sie war erfreut, die extra aus Hildesheim angereiste Gewinnerin dieses Wettbewerbs Miriam Pujiula-­Buhl, die das bundesweite Symbol pro Organ- und Gewebespende kreiert hat, persönlich kennenzulernen und sich „von Kollegin zu Kollegin“ auszutauschen.

Ausstellung "Body and soul connection" von Carolin Assmussen beim 1. Mainzer Organ- und Gewebefestival
Ausstellung "Body and soul connection" von Carolin Assmussen beim 1. Mainzer Organ- und Gewebefestival


Kaum waren der vor zwei Jahren herztransplantierte Nene Tshilombo aka TKAY-G mit DJ Everyday aus Recklingshausen angereist, fing er mit dem Neurochirurgen und ehemaligen Transplantationsbeauftragten Dr. Hilal Yahya aus dem Evangelischen Klinikum Duisburg an, ein spontan für das Festival geschriebenes Lied „Spenden kann jede:r“ zu proben. Das Lied wurde später am Abend dem Publikum mit der Einladung mitzumachen vorgespielt. Nene erzählte uns, dass seine Lebenslust ihm dabei half, als Familienvater und professioneller Tänzer sechs Jahre lang trotz Herzschwäche wie bisher weiterzumachen, bis ihm schlussendlich sein Kardiologe erklärte, dass es demnächst Endstation sei. Zu einem künstlichen Herz ließ sich Nene fast zwei Jahre lang nicht überreden. Er bestand auf eine Transplantation. „Herr Doktor, entweder bekomme ich ein neues Herz oder: Auf Wiedersehen!“, sagte er damals. Nach seiner Transplantation kämpfte er jeden Tag mit viel Disziplin um jeden zusätzlichen Schritt, bis er sein früheres Leben zurückgewonnen hatte. „Ich will nicht herumjammern, sondern einfach leben. Ich will nicht die Zeit darauf verschwenden, um nachzudenken, wie viele Jahre ich durch das neue Herz bekam. Das Herz arbeitet für mich und musste sich meinem Körper anpassen – nicht andersherum“. Mit seiner Kunst ist er aktuell in Deutschland auf Tour und möchte andere inspirieren, „damit Menschen erkennen, dass ihr Leben wertvoll ist. Man muss sich mit der eigenen Medikation und Ernährung auseinandersetzen und das genau Passende für sich finden“. Sport und positive Gedanken seien auch wichtige Bausteine eines gesunden Lebensstils. Für seine Ärzte sei er ein Phänomen. Die Rezension seines Musikalbums „Gott ist groß“ finden Sie auf Seite 78.

Nene Thilombos Seele verlässt ihn / Albumcover des Rappers TKAY-G "Gott ist groß"
Nene Thilombos Seele verlässt ihn / Albumcover des Rappers TKAY-G "Gott ist groß"


Ivan Terziev und Jonas Ailabouni kamen aus Mainz mit Keyboard, E-Geige, Loopers und weiteren Instrumenten, um ihr neues Projekt mit Elektromusik „Inter1Kush“ zu präsentieren. Ivan, hauptberuflich Musiklehrer; und Jonas, hauptberuflich Sozialarbeiter, möchten sich musikalisch nicht festlegen, da sie von jeder gespielten Musikrichtung profitieren, von Country bis Afro Roots.

Ivan Terziev und Jonas Ailabouni aus Mainz mit ihrem Projekt der elektronischer Musik Inter1kush
Ivan Terziev und Jonas Ailabouni aus Mainz mit ihrem Projekt der elektronischer Musik Inter1kush


Extra aus Duisburg angereist kam Dr. Hilal Yahya, der mit dem DIATRA-Chefredakteur Dennis M Stamm Folk, Rock und Reggae mit Gitarrenbegleitung an. Das Publikum tanze dabei und sang mit. „Tolle Leute, tolles Team, eine Gruppe, die unbedingt wieder zusammenarbeiten soll“, bilanzierte Dr. Yahya das Festival. „Dieses Festival war sehr wichtig und gut, um Menschen mit der so wichtigen Thematik auf diese direkte Art zu erreichen. Viele Menschen haben gezeigt, was sie lange in der Pipeline hatten und nur auf das richtige Podium gewartet haben.“

Neurochirurg Dr. Hilal Yahya aus Duisburg mit dem Rapper Nene Tshilombo beim Proben
Neurochirurg Dr. Hilal Yahya aus Duisburg mit dem Rapper Nene Tshilombo beim Proben


So konnten wir zeigen, dass es möglich ist, ein Fest auch ohne öffentliche Gelder machbar ist. Wünschenswert wäre natürlich eine größere Unterstützung durch die Stadt Mainz bzw. die Stadt Wiesbaden gewesen. Vielleicht klappt es ja bei einem nächsten Mal.

Vordere Reihe: DJ Everyday, DIATRAs Festivalorganisatorin Agata Stark, Herztransplantierter Rapper Nene Tshilombo, DIATRAs Chefredakteur Dennis Stamm, HelfendeLucinda, Mina und Charlotte, Schöpferin des Bundesweiten Symbols pro Organ- und Gewebespende Miriam Pujiula-Buhl, Chris Dammann von PKD Familiäre Zystennieren, Nicole Seeligmüller mit Kollegin Maja von Chiesi Deutschland, Susanne Damman 1. Vorsitzende von PKD Familiäre Zystennieren e.V.
Vordere Reihe: DJ Everyday, DIATRAs Festivalorganisatorin Agata Stark, Herztransplantierter Rapper Nene Tshilombo, DIATRAs Chefredakteur Dennis Stamm, HelfendeLucinda, Mina und Charlotte, Schöpferin des Bundesweiten Symbols pro Organ- und Gewebespende Miriam Pujiula-Buhl, Chris Dammann von PKD Familiäre Zystennieren, Nicole Seeligmüller mit Kollegin Maja von Chiesi Deutschland, Susanne Damman 1. Vorsitzende von PKD Familiäre Zystennieren e.V.