DIATRA-Redaktion
16. Sept. 2025 · 4 Min. Lesezeit
Eine Nierenerkrankung im Endstadium bedeutet für viele Betroffene, dauerhaft auf Dialyse angewiesen zu sein – meist dreimal pro Woche, jeweils mehrere Stunden. Diese Behandlung ermöglicht das Überleben, ist aber zugleich körperlich, sozial und psychisch herausfordernd. Viele Patient:innen berichten von Erschöpfung, eingeschränkter Lebensqualität und dem Gefühl, weniger frei über ihr Leben bestimmen zu können.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die psychische Gesundheit von Dialysepatient:innen in der Forschung immer stärker an Bedeutung – insbesondere auch die Frage nach dem Suizidrisiko. In den letzten Jahren wurden mehrere große Studien veröffentlicht, die ein differenzierteres Bild zeichnen: Wie groß ist das Risiko, welche Einflussfaktoren spielen eine Rolle, und welche Schutzmechanismen lassen sich identifizieren? Die Ergebnisse zeigen klare Herausforderungen, aber auch ermutigende Perspektiven.
Die bislang umfangreichste Untersuchung stammt von Zerbinati et al. (2025): Eine Meta-Analyse mit zwölf Studien und insgesamt 259 Hämodialysepatient:innen. Ergebnis: Etwa jede:r Fünfte (20,6 %) zeigte Anzeichen suizidaler Gedanken oder einer Gefährdung – je nach Erhebungsmethode schwankten die Werte deutlich zwischen 4,0 % und 57,3 % (d.h. Klinikinterviews oder Fragebögen zur Selbstauskunft). Zum Vergleich: In der Allgemeinbevölkerung liegen ernsthafte Suizidgedanken meist deutlich unter 10 %.
Interessanterweise beeinflussten Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Diabetesstatus das Risiko nicht signifikant. Auch bei unterschiedlichen Depressions- und Angstraten waren die Unterschiede gering (21,2 % vs. 20,4 %). Neben geografischen Faktoren zeigte sich ein deutlicher Unterschied: In einkommensschwachen Ländern war das Risiko mit 33,5 % deutlich höher als in einkommensstarken Ländern mit 15,3 %.
Eine Studie von Giang et al. (2025) bestätigt für die USA eine Suizidinzidenz bei Dialysepatient:innen, die 1,84-mal höher liegt als bei der allgemeinen Bevölkerung. Diese Zahl verdeutlicht die Bedeutung psychischer Belastung, insbesondere in medizinisch fordernden Kontexten.
Die koreanische Studie von Kang et al. (2024) zeigt: Nierentransplantierte Menschen haben eine deutlich geringere Suizidrate und weniger Depressionen im Vergleich zu weiter Dialysepflichtigen. Der Vorteil: Eine erfolgreiche Transplantation entlastet von den belastenden Dialysesitzungen und verbessert das körperliche Befinden, die soziale Teilhabe und die Lebensqualität insgesamt.
Ein Review von Ramya & Jagadeswaran (2024) hebt wichtige psychologische Belastungsfaktoren hervor:
Die Autor:innen betonen die zentrale Bedeutung psychologischer Unterstützung – etwa durch Beratung, Selbsthilfegruppen oder kreative Therapien – um Resilienz zu stärken und Suizidalität vorzubeugen.
Dialysepatient:innen sind von einem Dreiklang aus körperlicher, psychischer und sozialer Belastung betroffen:
Trotz der erhöhten Risiken gibt es bewährte Schutzmechanismen:
Dialysepatient:innen zeigen ein deutlich erhöhtes Suizidrisiko – jede:r Vierte bis Sechste ist betroffen, je nach Region, Gesundheitslage und Versorgung. Dennoch sind Transplantationen, psychologische Begleitung und soziale Stabilität wirksame Schutzfaktoren, die Lebensqualität spürbar verbessern.
Appell an Medizin, Pflege, Angehörige und Gesellschaft: Die psychische Gesundheit von Dialysepatient:innen gehört ins Zentrum – nicht an den Rand.
Wenn du selbst betroffen bist oder dir Sorgen um eine nahestehende Person machst, scheue dich bitte nicht, Hilfe anzunehmen:
Selbsthilfen: https://diatra.info/Selbsthilfen
Deutschland: Telefonseelsorge – Tel. 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 · www.telefonseelsorge.de
Österreich: Telefonseelsorge – Tel. 142 · www.telefonseelsorge.at
Schweiz: „Die Dargebotene Hand“ – Tel. 143 · www.143.ch
Luxemburg: „SOS Détresse“ – Tel. 288 087 · www.454545.lu
Wir danken Prof. Dr. Martin K. Kuhlmann (Vivantes Klinikum im Friedrichshain/Berlin und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie - DGfN) für die Unterstützung