Letzte Woche berichteten die Medien, dass ein Gesetzentwurf gegen die Einführung der Widerspruchsregelung auf dem Weg ist. Eine Gruppe um den CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger (u. a. Kirsten Kappert-Gonther [Grüne], Lars Castellucci [SPD], Hermann Gröhe [CDU], Katrin Helling-Plahr [FDP] und Kathrin Vogler [Linkspartei]) stellte erste Eckpunkte für ihren Gesetzentwurf vor.
Im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Pilsinger, es gebe „keinerlei wissenschaftliche Beweise dafür, dass die Widerspruchslösung zu mehr Organspenden führt“. Deshalb würden manche Bürger:innen eine Einführung der Widerspruchsregelung bei der Organspende als „übergriffig“ empfinden. Vielmehr müsse das Augenmerk auf organisatorische Verbesserungen in den Entnahmekrankenhäusern gelegt werden, denn dort gebe es ein „strukturelles Versagen“. Außerdem will die Gruppe die Eintragung in das im März 2024 gestartete Organspenderegister vorantreiben. Außerdem sieht der Entwurf vor, dass Ärzt:innen und Apotheker:innen ein Extra-Honorar für die Unterstützung von Interessierten beim Eintrag in das Register erhalten.
Am 7. November 2024 hat der Bundestag bzw. der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Edgar Franke Fragen aus der Fragestunde beantwortet, unter anderem auch die Fragen von Dr. Stephan Pilsinger zum Thema Organspende:
Frage 39 Frage des Abgeordneten Dr. Stephan Pilsinger (CDU/ CSU): Welche evidenzbasierten, auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhenden Studien sind der Bundesregierung bekannt, die belegen, dass die gesetzliche Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende zu einer signifikanten Steigerung der Organspenden bzw. der Organtransplantationen führen könnte (bitte die bekannten Studien konkret aufführen), und wenn der Bundesregierung hierzu keine wissenschaftlichen Studien bekannt sind, welche über die derzeit im deutschen Transplantationsrecht geltenden Vorschriften und Maßnahmen hinausgehenden Maßnahmen könnten nach Auffassung der Bundesregierung zu einer solchen signifikanten Steigerung führen?
Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Edgar Franke: Bei der Frage, ob eine Widerspruchsregelung eingeführt werden soll, handelt es sich um eine ethische Frage, die nicht von der Bundesregierung, sondern als Gewissensentscheidung von den einzelnen Abgeordneten und somit aus der Mitte des Deutschen Bundestages zu beantworten ist. Daher wird mit Blick auf eine sich abzeichnende Debatte und einen sich daran anschließenden Meinungsbildungsprozess im Deutschen Bundestag auf eine inhaltliche Bewertung der wissenschaftlichen Grundlagen einer etwaigen Gesetzesänderung verzichtet.
Frage 40 Frage des Abgeordneten Dr. Stephan Pilsinger (CDU/ CSU): Sieht die Bundesregierung mit Blick auf die in meinen Augen hohen Qualitätsanforderungen zur Erteilung der entsprechenden Leistungsgruppen gemäß dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) die Möglichkeit einer sinkenden Zahl an Entnahmekrankenhäusern gemäß § 9a des Transplantationsgesetzes, die laut der Deutschen Stiftung Organspende heute bei etwa 1 200 liegt (vergleiche https://dso.de/organspende/fachinformationen/informationen-f%C3%BCr-transplantationsbeauftragte-und-krankenhausverwaltungen/entnahmekrankenh%C3%A4user), und wie will die Bundesregierung sicherstellen, dass die Zahl der Entnahmekrankenhäuser oder wenigstens die Zahl der Organentnahmen infolge des KHVVG nicht sinkt?
Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Edgar Franke: Ein zentrales Ziel der Krankenhausreform ist die Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität. Zu diesem Zweck sollen mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) Leistungsgruppen mit bundesweit einheitlichen Qualitätskriterien eingeführt werden. Hierbei handelt es sich um Mindestanforderungen an die Strukturqualität in Krankenhäusern, durch die eine qualitativ hochwertige Versorgung gewährleistet werden soll. Qualitätskriterien können unter bestimmten Voraussetzungen auch in Kooperation erfüllt werden, sodass zum Beispiel „verwandte Leistungsgruppen“ nicht zwingend am Krankenhausstandort vorgehalten werden müssen. Auch Vorgaben für die erforderliche personelle Ausstattung können unter bestimmten Voraussetzungen in Kooperation erfüllt werden. Etwaige Einschätzungen zu den konkreten Auswirkungen der Einführung einzelner Leistungsgruppen sind derzeit noch nicht abschließend möglich. Die Zahl der Organentnahmen steht in Zusammenhang mit vielen unterschiedlichen Faktoren. Die Organspendebereitschaft und ihre Dokumentation ist der entscheidende Faktor für die Zahl der Organentnahmen. Eine hohe Qualität in der transplantationsmedizinischen Versorgung kann dazu beitragen, das Vertrauen in die Transplantationsmedizin zu stärken und die Organspendebereitschaft zu fördern. Mit Blick auf die gegenwärtige Zahl der Entnahmekrankenhäuser hat diese als Faktor für die Zahl der Organentnahmen begrenztes Gewicht. Die Weiterentwicklung von Struktur- und Prozessqualität kann zusätzlich dazu beitragen, die Situation zu verbessern. Hierbei kommt den Transplantationsbeauftragten weiterhin eine wichtige Rolle zu.