Dennis M Stamm
28. Aug. 2025 · 3 Min. Lesezeit
Im Verfahren Bryce Martinez gegen Kraft Heinz Company, Inc. u.a. (Az. 2:25-cv-00377-MRP, United States District Court for the Eastern District of Pennsylvania, Urteil vom 25. August 2025) trat ein junger Mann aus Philadelphia gegen gleich mehrere Lebensmittelkonzerne an: Kraft Heinz, Coca-Cola, Nestlé, PepsiCo, General Mills und weitere. Sein Vorwurf: Die Unternehmen entwickelten gezielt „ultra-verarbeitete Lebensmittel“ (UPFs), die Abhängigkeit erzeugen sollen. Dabei hätten sie wissenschaftliche Methoden aus der Suchtforschung genutzt, um Snacks und Getränke so zu gestalten, dass Konsumenten immer wieder zugreifen. Besonders schwer wiege, so Martinez, dass Kinder massiv mit Werbung angesprochen worden seien, während Risiken wie Übergewicht, Diabetes oder Lebererkrankungen verschwiegen wurden. Martinez selbst führte an, er habe regelmäßig solche Produkte konsumiert und sei deshalb bereits mit 16 Jahren an Typ-2-Diabetes und einer Fettleber erkrankt.
Das Gericht wies die Klage ab. Richter Perez machte zwar deutlich, dass er die gesellschaftlichen Folgen stark verarbeiteter Lebensmittel – gerade für Kinder – sehr ernst nehme. Eine Klage sei aber nur zulässig, wenn konkrete Fakten vorliegen, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen bestimmten Produkten und einer Erkrankung erkennen lassen. Genau daran fehlte es:
Das Gericht betonte außerdem, dass Krankheiten wie Diabetes oder Fettleber durch ein Zusammenspiel vieler Faktoren entstehen können: genetische Veranlagung, Lebensstil, Bewegungsmangel und Ernährung. Ohne den Nachweis, dass ein konkretes Produkt ursächlich war, ließe sich eine Klage rechtlich nicht begründen.
Das Urteil verdeutlicht ein Grundproblem: Auch wenn es gute Argumente gibt, den Einfluss stark verarbeiteter Lebensmittel auf die öffentliche Gesundheit kritisch zu betrachten, sind Klagen gegen die Branche vor Gericht nahezu aussichtslos. Das US-Recht verlangt einen klar belegbaren Kausalzusammenhang. Allgemeine Kritik oder die Nennung vieler Marken reicht nicht. Hier unterscheidet sich der Fall von den Prozessen gegen die Tabakindustrie in den 1990er-Jahren, bei denen der Zusammenhang zwischen Zigarettenkonsum und Erkrankungen wissenschaftlich eindeutig war – und die Industrie nachweislich suchtfördernde Stoffe einsetzte. Bei Lebensmitteln ist die Lage komplexer: Menschen konsumieren eine Vielzahl von Produkten, Krankheiten entstehen multifaktoriell, und die Verantwortung lässt sich kaum einem einzelnen Hersteller zuschreiben.
Auch in Europa und Deutschland wäre die Rechtslage ähnlich. Nach deutschem Produkthaftungsrecht haftet ein Hersteller nur, wenn ein Produktfehler nachweisbar ist und dieser ursächlich den Schaden ausgelöst hat. Für Volkskrankheiten wie Diabetes oder Fettleber ist das faktisch nicht nachweisbar. Der entscheidende Unterschied: In Europa wird stärker auf Regulierung und Prävention gesetzt. Dazu gehören die EU-Lebensmittelsicherheitsverordnung, umfassende Kennzeichnungspflichten wie Nährwerttabellen oder der Nutri-Score sowie politische Debatten über Werbeverbote für ungesunde Produkte an Kinder oder über Zuckersteuern.
Das US-Gericht wies die Klage ab, weil der Kläger nicht konkret darlegen konnte, welche Produkte ihn krank gemacht haben. Das Urteil bedeutet nicht, dass die Sorgen über stark verarbeitete Lebensmittel unbegründet wären – es zeigt jedoch, wie schwer es ist, die Industrie juristisch in die Verantwortung zu nehmen. Während in den USA Klagen regelmäßig an fehlender Nachweisbarkeit scheitern, setzen europäische Staaten stärker auf gesetzliche Regelungen. Für Betroffene bleibt der Weg über Einzelklagen in beiden Rechtssystemen nahezu ohne Aussicht auf Erfolg.