Aus der Redaktion

Wenn eine Stimme verstummt, die uns verbindet

Warum DIATRA nicht enden darf

Martin Müller

5. Nov. 2025 · 4 Min. Lesezeit

Es gibt Nachrichten, die still beginnen – und dann wie ein Stich wirken.
Die Ankündigung, dass der DIATRA-Verlag nach 35 Jahren das Aus droht, gehört dazu. Kein großer Konzern, keine Hochglanzredaktion – und doch eine feste Größe für alle, die mit Organspende, Dialyse oder Transplantation leben und arbeiten.

DIATRA war nie laut, aber immer da.

Die Zeitschrift begleitet Ärztinnen, Pflegekräfte und Patientinnen, verbindet Wissenschaft mit Erfahrung, Fakten mit Schicksalen. Sie war immer das Medium, das hinsieht, wo andere wegschauen – bei Rückgängen der Organspende, bei Versorgungslücken in der Dialyse, bei politischen Versäumnissen.
Und sie tut, was in dieser Branche selten geworden ist – sie bringt alle an einen Tisch.

Mehr als ein Magazin – eine Stimme, die uns verbindet

In der Geschichte von DIATRA spiegelt sich, wie sich Medizin und Menschlichkeit über Jahrzehnte gemeinsam verändert haben.
Gerhard Stroh, selbst nierentransplantiert, gründete das Magazin aus Dankbarkeit – und mit einem Ziel: die Stimmen derer zu bündeln, die sonst kaum Gehör finden.
Dass daraus über Jahrzehnte ein Netzwerk entstand, das Ärztinnen, Patienten, Pflege und Politik verband, war kein Zufall. Es war Arbeit. Ausdauer. Idealismus. Weitsicht.
Ich erinnere mich unter anderem auch an eine Situation aus 2016. Ich schrieb über meine Kindheit mit Dialyse, stellte meine Texte auf meine Homepage. Eines Tages klingelte das Telefon mal wieder. Am anderen Ende: Gerhard Stroh, den ich sehr schätzte. „Herr Müller, darf ich Ihren Blog in DIATRA veröffentlichen?“ fragte er. Ich sagte ja – und so entstand die Rubrik „Porträt“. 
Aus einer kleinen Idee wurde ein Ort, an dem Menschen über ihr Leben mit der Krankheit sprechen – ehrlich, verletzlich, stark und damit anderen Mut machen. 

Was verloren ginge, wäre mehr als Papier

Heute führen Agata Stark und Dennis M Stamm dieses Erbe weiter – praktisch allein. Sie schreiben, redigieren, vernetzen, organisieren. 
Wenn DIATRA verschwindet, verlieren wir mehr als ein Fachmagazin. Wir verlieren das Gedächtnis einer Bewegung.
Denn in keiner anderen Publikation wurden über Jahrzehnte die Zahlen zur Organspende so präzise, verständlich und kritisch aufbereitet. Kein anderes Medium brachte die Themen aus der „Blase“ der Nephrologie hinein in die politische Realität. Was auch mit eine große Hinterlassenschaft des Gründers Gerhard Stroh bildet.
DIATRA hat dafür gesorgt, dass Betroffene nicht nur Patientendaten bleiben – sondern Gesichter, Stimmen, Geschichten.
Man kann den Wert solcher Arbeit nicht in Klicks oder Anzeigen messen. Ihr Wert liegt im Vertrauen. Und Vertrauen entsteht, wenn Menschen merken: Da schreibt jemand nicht über sie, sondern für sie. Das ist in vielen Artikel von Betroffenen und für Betroffenen immer gelungen und spürbar gewesen.

Ein Verlust, der uns alle betrifft

Ein Ende dieser Zeitschrift wäre nicht nur ein Verlust für die Transplantationsgemeinschaft.
Es wäre ein stiller Rückschritt für eine Gesellschaft, die sich Transparenz und Aufklärung auf die Fahnen schreibt – und dann ausgerechnet jene verstummen lässt, die beides verkörpern.
Es gibt in Deutschland viele Fachzeitschriften, die über Gesundheit berichten. Aber nur eines, das vielfältig die Organspende, Dialyse und Transplantationsmedizin menschlich, politisch und journalistisch auch über Deutschland hinweg zugleich zusammengebracht hat.
DIATRA ist diese Verbindung – aus Fakten und Gefühl, aus Herz und Haltung.

Das kleine Wunder, das möglich ist

Agata Stark und Dennis M Stamm haben das Werk von Gerhard Stroh mit Herzblut fortgeführt. Mit wenig Mitteln, aber mit Herzblut. Und Herzblut – das ist heute das Kostbarste, was ein Verlag besitzen kann.
Vielleicht braucht es jetzt wirklich ein kleines Wunder.
Aber manchmal, das lehrt die Medizin, entstehen Wunder dort, wo Menschen nicht aufhören, an sie zu glauben.
DIATRA ist mehr als ein Verlag. Es ist eine Stimme. Eine Brücke. 
Und diese Stimme darf nicht verstummen ...
Martin G. Müller
Spektrum Dialyse

Zum Aufruf des DIATRA-Verlags "Könnt Ihr wirklich auf Euren DIATRA-Verlag verzichten? Jetzt zählt Eure Unterstützung" vom 26. September 2025